Sichtbarmachung, Sturm und Stille in der Pandemie – Künstler*innen im Gespräch

Die Pandemie und die damit verbundenen Konsequenzen für das
gesellschaftliche Zusammenleben bedeutet für viele Einschnitte in ihren Arbeitsalltag.
Kaum eine Berufsgruppe bleibt verschont. Homeoffice oder eingeschränkter
Betrieb mit dazugehörigem Hygienekonzept gehört nun ebenso dazu, wie die Ungewissheit,
ob man seinen Job nächsten Monat noch behält. Künstler*innen – egal ob aus der
Musikszene, Fotograf*innen oder solche, welche sich gerade in der Ausbildung
befinden – sind der aktuellen Lage besonders stark betroffen. Vielen fehlt es
aufgrund abgesagter Veranstaltungen an regelmäßigen Arbeitsmöglichkeiten, Proben
fielen immer wieder aus und Künstler*innen am Beginn ihrer Karriere müssen sich
zum Teil mit Distanzunterricht zufriedengeben.

Viel wurde über die Einschnitte in den Kulturbetrieb berichtet; jedoch wollte ich mit denen Leuten reden, welche nicht bereits so erfolgreich sind, dass sie von Zurückgelegten leben können. Wir wollten zeigen, wie hart es für die Meisten wirklich ist und wie sie versucht haben, ihr Tagesgeschäft Corona-konform zu gestalten. Deshalb haben wir mit drei Künstler*innen aus unterschiedlichen Szenen geredet, die alle an verschiedenen Stellen ihrer Karriere stehen. Sie redeten mit uns über ihre Erfahrungen, den Einfluss auf ihre Kunst und was sie alles in Kauf nehmen mussten, um weiter ihre Leidenschaft ausüben zu können.

Sichtbar machen - Interview mit Yvonne Feder

Als Studentin merke ich, wie sehr Corona das eigene Studium einschränkt und wie wenig über unsere Generation berichtet wird. Da ich mich leidenschaftlich für Kunst interessiere und auch selbst künstlerisch tätig bin, habe ich mir die Frage gestellt, wie Studierende an einer Kunsthochschule sich in der Pandemie fühlen und wie ein Kunststudium digital abläuft?

Um Antworten zu finden und den Blick auf angehende Künstler*innen zu lenken, habe ich Yvonne aus Köln gefragt. Sie ist 20 Jahre alt und studiert Frei Kunst und Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf im vierten Semester. Sie erzählt von ihren Erfahrungen in den vergangenen Monaten und worauf sie mit ihrer Kunst aufmerksam machen möchte.

Yvonne Feder, Zeichnung im ersten Lockdown, März 2020. Via: https://www.yvonnefeder.de/

Ein Studium lebt vom Miteinander, Austausch und Begegnungen – so auch das Kunststudium. Yvonne studierte gerade im zweiten Semester und befand sich im Orientierungsbereich, als die Pandemie begann. In den ersten beiden Semestern teilen sich 60-100 Studierende drei große Atelierräume, in denen sie an ihrer Kunst arbeiten, Ideen austauschen und sich gegenseitig kennen lernen. „Es war immer viel los und bis spät abends traf man jemanden zum Reden. Das war schon toll.“ Diese Arbeitsräume und die Freiheit wurden von der Pandemie genommen; das Studium lief online weiter.

Für die Aufnahme in die von Professor*innen einzeln betreuten Klassen, findet eigentlich eine Ausstellung am Ende des Orientierungsbereichs statt, „wo man mit den Lehrenden ins Gespräch kommen, seine Kunst vorstellen und von sich überzeugen kann.“ Doch auch diese musste digital stattfinden. Der Anschluss und das Eingewöhnen in der neuen Malerei-Klasse waren daher anfangs nicht so einfach, wie Yvonne erzählt: „Man konnte sich zunächst nur online sehen und kennen lernen. Man hat sein bestes versucht, doch die Malerei braucht Präsenz und die Live-Wirkung von Gemälden. Das Digitale bietet keinen Vergleich dazu.“

Zwischendurch waren die Inzidenzzahlen geringer und es war möglich vor Ort in der Akademie zu arbeiten, bis es einen erneuten Stopp gab. Yvonne verlagerte ihr Atelier nach Hause in Köln und arbeitet nun von da aus. Mit ihrer Professorin trifft sich ihre Klasse über Microsoft Teams alle zwei Wochen und jeder der möchte, kann die eigenen Arbeiten über Video oder mit Hilfe von Fotos vorstellen. Mittlerweile hat die Kunstakademie ein System entwickelt, welches je nach Inzidenzwert festlegt, inwiefern die Ateliers und Werkstätten genutzt werden dürfen, und es besteht auch die Möglichkeit, sich in kleineren Studienkreisen zu treffen. Auf die Frage, wie schnell die Digitalisierung umgesetzt wurde, antwortet sie: „Langsam. Es war ein langer und schwieriger Weg ein gut organisiertes System zu finden, viele Professor*innen haben zunächst angefangen, eigene Formate wie Zoom zu nutzen. Jetzt funktioniert es gut und ein ruhiger Akademieaustausch findet statt.“

Privat nutzt sie hauptsächlich Messenger Apps, um sich mit ihren Kommiliton*innen zu vernetzten und auszutauschen und trifft sich mit ihnen, wenn es die Situation zulässt

Ihr Studium empfindet Yvonne als sehr frei und unterstützend für ihren individuellen Werdegang. Ihre Arbeiten sind gleichzeitig für sie persönlich und für ihre Malerei-Klasse. Die Akademie hilft ihr „aus eigenem Antrieb die Themen und Medien zu finden mit und in denen man arbeiten möchte. Wie man selber zu seiner Kunst findet.“ Sie berichtet von einem stetigen Austausch mit ihrer Professorin und Kommiliton*innen. Sie stellt ihre gemalten Arbeiten im Klassenkolloquium vor und zieht Schlüsse aus der Diskussion für ihr weiteres Vorgehen.

Aufgrund der digitalen Lehre stellt sich die Frage, ob mehr Theorie als Praxis gelehrt wird. Dies sei nicht der Fall, wie Yvonne erklärt. „Allerdings haben mehr Studierende theoretische Seminare und Vorlesungen belegt, da sie Struktur brauchen. Denn eigentlich steht man auf, geht zur Akademie, arbeitet dort im Atelier bis abends und geht dann wieder nach Hause. Dieser geregelte Alltag fällt weg und für viele ist es daher hilfreich eine Struktur zu haben; sprich Seminare zu geregelten Zeiten zu besuchen.“

Es wird erneut deutlich, Corona hat einen enormen Einfluss auf das Leben von Studierenden. Auf ihren Alltag und auch als Thema im Studium. Vereinzelte Seminare befassen sich besonders mit der Pandemie und deren Auswirkungen, wie Yvonne mir auf die Frage nach dem Studieninhalt antwortet. Sie selber hat keines dieser Seminare belegt, jedoch haben die letzten Monate auch Spuren in ihren Arbeiten hinterlassen.

„In den Arbeiten findet sich Corona bestimmt auf die ein oder andere Art wieder, sei es sehr direkt oder eher subtiler. Ich bin mir aber sicher, dass jede kunstschaffende Person in irgendeiner Weise von der Situation in ihrer Arbeit beeinflusst wird.“

Ihre Kunst hat sich verändert im vergangenen Jahr, wozu vor allem auch das Studieren an der Kunstakademie beigetragen hat. Gespräche mit Gleichgesinnten tun gut und bringen die eigene Kunst weiter. „Es ist ein stetiger Wandel, man kann sich vielen Einflüssen einfach nicht entziehen. Diese finden so oder so ihren Weg in die Kunst“ So auch Corona. Sie findet, dass die Pandemie deutlich macht, wie sehr uns vorhandene und besonders die fehlenden zwischenmenschlichen Beziehungen prägen und wie stark Mensch und Natur im Zusammenhang stehen.

Yvonne Feder, April 2021

Mit ihrer Kunst versucht Yvonne ebenfalls auf die oftmals unterschätzte Klimakrise aufmerksam zu machen und Umsicht zu schaffen. „Ich als Kunstschaffende möchte diesem großen Thema Platz einräumen und (…) diejenigen, die sich vielleicht noch nicht so viel damit befasst haben, an die Hand nehmen, um ihnen zu zeigen, wie das alles funktioniert und wie einfach es ist, all das zu nehmen (…).“

Yvonne Feder, April 2021

Um ihre Kunst in der Corona-Zeit sichtbar für Anderen zu machen, nutzt die Kunststudentin ihre eigene Webseite (www.yvonnefeder.de) und ihren Instagram-Account. Sie zeigt ausgewählte Zeichnungen und Malereien und gibt Einblicke in ihre persönliche Entwicklung. Allerdings hat das Digitale eine andere Wirkung und besonders Instagram verleitet zu einem oberflächlichen Konsum von Bildern.

„Ich finde es schade, wenn Menschen Kunst (…) nur in kleinen Vierecken auf dem Bildschirm sehen. Es ist eine nicht zu vergleichende Erfahrung, die Kunst live zu sehen und dadurch mit dem Kunstwerk in Kommunikation zu treten. Zumal die Nachwirkungen einer Arbeit, die man mit seinen eigenen Augen live ertasten kann, deutlich größer sind als die bei einer Arbeit, die man im Miniatur-Format auf dem Bildschirm kurz anschaut und dann weiter wischt.“

Zuletzt frage ich Yvonne, ob Ihr Zweifel durch die Pandemie an ihrer Stundenwahl und an ihrer späteren Berufswahl kamen. Sie fühlt sich eher bestärkt in ihrer Wahl. Corona hat ihr gezeigt, „wie wenig die Regierung daran interessiert ist, Kunstschaffende zu unterstützen und auch Kunstinstitutionen offen zu halten. Ein reger Austausch über Kunst innerhalb von und um Ausstellungen herum ist schließlich der Grund, warum Kunst lebt. Uns wurde nicht gezeigt, dass wir wichtig sind.“

Aus dem Frust und der Enttäuschung über die abweisende Reaktion hat sich bei ihr mehr ein Trotz entwickelt.

„Ich will das auf jeden Fall weiter machen; zeigen, wie wichtig Kultur- und Kunstschaffende für die Gesellschaft sind und den Nutzen der Kunst bestätigen.“

Durch stürmige Zeiten - Interview mit Peter Wagner

Die Eröffnung eines eigenen Fotobetriebs ist ein Traum von vielen Fotograf*innen. Er gilt jedoch als sehr unsicher und gerade in Kriesenzeiten als nicht wünschenswert. Was ist wichtig um als freiberrufliche*r Fotograf*in durchzuhalten?

Nur noch „Systemrelevante“ Berufe dürfen fortgeführt werden. Der Kulturbereich muss in der Corona – Zeit große Einbüßen machen, denn Museen, Ausstellungen und Kinos sind geschlossen, Konzerte und Festivals können nicht statt finden. „Manche stehen kurz davor, ihre Wohnung zu verlieren, andere wissen nicht, wovon sie im nächsten Monat ihre Lebensmittel kaufen sollen.“ (Benjamin Klein, Welt)  Peter Wagner, Vater von zwei kleinen Jungen, eröffnet im Jahr 2019 seinen eigenen Fotografie Betrieb und muss sich als neuer, freiberuflicher Fotograf durch diese schwierige Zeit kämpfen.

„Alles was mit Leuten zu tun hat ist auf einmal nicht mehr da. Wenn keine Hochzeiten mehr stattfinden kann ich keine Hochzeiten fotografieren.“

Während einige Künstler*innen ihren Job aufgeben mussten und ihren Betrieb schlossen, konnte Peter sein neu gegründetes Geschäft, trotz ausbleibender Aufträge und strenger Regulierungen offen halten. Er führt dies vor allem darauf zurück, dass sein Betrieb sehr breit aufgestellt ist, denn er fotografiert sowohl Hochzeiten, als auch Kinder und Familien Fotos, Portraits, Kindergarten/ Schulfotos und auch im Bereich der Werbe- und Industriefotografie ist er tätig

„In Zeiten der Krise, war das für viele der Knackpunkt durch den sehr viele wirklich Probleme gekriegt haben, weil sie nur den einen Bereich anbieten können und wenn sie das nicht machen können ist es schwierig. Da ich mehrere Bereiche habe, habe ich das ganze relativ locker umgehen können.“

Was verändert sich für ihn als Fotograf? Wie wird das Thema Corona in seinen Fotografien verarbeitet? Und ändert diese herausfordernde Zeit etwas an seinem Berufsweg und seinen Entscheidungen? Die Arbeit des Fotografen hat sich in der Zeit der Corona Pandemie stark gewandelt. Während des ersten Lockdowns konnte sie gar nicht stattfinden und fixe Einnahmequellen wie Hochzeiten im Sommer, die eingeplant wurden, fielen weg. Nach den Lockerungen der Maßnahmen waren sie nur sehr beschränkt möglich. Das Fotografieren von großen Gruppen war kaum umsetzbar. In der Zeit hat sich Peter anderen Aufgaben gewidmet, wie das Reinigen der Archive, die Gestaltung einer neuen Homepage und ein bisschen Werbung und Marketing gemacht. Auch die staatlichen Hilfen ließen sehr zu wünschen übrig. Da Peters Betrieb neu eröffnet war, konnten keine Zahlen von vorherigen Geschäftsjahren angegeben werden und er erhielt den absoluten Mindestsatz. Nach dem ersten Lockdown durfte der Fotobetrieb durchgehend geöffnet bleiben, was dennoch keine große Erleichterung war, da die Kunden trotzdem ausblieben. Aus dem Grund, dass Fotobetriebe offen bleiben durften erhielt er nun gar keine Unterstützung mehr.

„Das heißt du warst staatlich verordnet zum Nichtstun. Das war dann auch der Grund warum wir nahezu keine weiteren Hilfen bekommen haben. Weil wir ja arbeiten dürfen.“

Mit kreativen Lösungen wurde versucht den Fotobetrieb offen zu halten. Schwangerschaftsfotos wurden umgebucht zu Fotos mit dem Neugeborenen. In der Corona – Zeit wird von  Fotograf*innen noch mehr Flexibilität erwartet als zuvor. Durch ständig schwankende Coronazahlen und Maßnahmen müssen größere Events oft umgelegt oder abgesagt werden, um die Aufträge zu behalten müssen Fotograf*innen zeitlich sehr flexibel sein und die Fotografie Planungen entsprechend anpassen wenn neue Regelungen hinzukommen oder Locations geändert werden. Da Peters Betrieb glücklicherweise von vornherein sehr weit gefächert war, musste er sich trotz den vielen wegfallenden Fotografie Bereichen kaum neue Gebiete suchen, denn er ist auch in der Porträt und Familien Fotografie tätig und konnte sich so mehr auf diese Bereiche stützen.

„Ich will nicht nur das eine oder das andere machen. Das Wechseln ist ja auch das Schöne bei der Fotografie. Das ich nicht immer den Job nach Chema F mache sondern dass ich immer was anderes mache und so mit unterschiedlichen Leuten zusammen komme und dementsprechend bin ich da sehr stark bestärkt worden."

Zusätzlich hat er sich einem neuen Bereich gewidmet und für Lokale Magazine Landschaftsfotografien aufgenommen. Während der Corona Pandemie blieb für Peter kaum mehr Zeit sich mit Fotografie in seiner Freizeit zu beschäftigen. Die sonstigen Ausstellungsbesuche fielen Aufgrund der geschlossenen Museen aus und auch das Fotografieren in der Freizeit hatte er weitestgehend eingestellt. Da Peter sich auf Fotografieren beim Reisen oder Familien Events konzentriert, vielen diese Möglichkeiten nun auch weg. Außerdem war an Organisatorischem und Buchhaltungsfragen so viel zu klären, dass es kaum mehr zeit gab als vorher. Wenn es die Corona Lage ermöglichte oder Zeit war fehlte allerdings das Geld, um sich in Reisen fotografisch zu engagieren. Obwohl er durch Corona in seiner Freizeit sehr eingeschränkt wurde, hat die Zeit ihn trotzdem zu neuen Blickwinkeln angeregt.

„Aber natürlich die Gruppenfotos ist ein Bereich wo es die größten Umbrüche gab. Weil Gruppenfotos im herkömmlichen Sinne war nicht mehr erlaubt.“

 Dies war nur mit der Einhaltung von Abständen möglich. Dementsprechend mussten die Personen weit auseinander stehen und es wurde von oben auf sie herab fotografiert. So sind Fotos entstanden, welche sich von den Standart Gruppen Fotos unterschieden. Auch das Thema Masken wird in zahlreichen Familien Fotos als Andenken an diese Zeiten festgehalten, dabei lag der Fokus beim Fotografieren nun auf anderen Dingen. Auch im zwischenmenschlichen Bereich gab es viele Probleme. Denn die Kunst der Fotografie mit Menschen besteht zu einem großen Teil daraus das Wesen eines Menschen einzufangen. Dazu muss eine Verbindung zu den Menschen aufgebaut werden. „People are at their best when they can be natural. And that is the hardest thing as a photogtaph“ (Platon, Fotograf) Das kennen lernen in der Corona Zeit mit den Kunden war durch Abstand und Masken deutlich erschwert. Vor allem das Fotografieren mit Kindern wird häufig zu einem schwierigen Unterfangen. Da diesen die Mimik und das Lächeln des Fotografen fehlt, ist die Verbindung erschwert.

„Wenn du jetzt mit kleinen Kindern bist und machst ein shooting und du bist hinter der Maske und hinter der Kamera und das Kind sieht dich nicht Lachen sondern immer nur die Masken. Das ist natürlich etwas unpersönlicher.“

Peter Wagner Juni 2021

Trotz dem schwierigem Weg durch die Corona Zeit bereut Peter seine Entscheidung zu einem eigenen Fotobetrieb nicht. „Ich war ganz froh, dass ich die Entscheidungen getroffen habe, wie ich sie getroffen habe, das heißt keine Spezialisierung auf einen Bereich.“ Besonders seine Wahl sich sehr breit aufzustellen und sich nicht nur auf einen Bereich zu spezialisieren, hat sich sehr gelohnt. Das Durchhalten in solchen Zeiten macht einen in seinem Beruf sicherer und stärker.

„Durch stürmige Zeiten wird man stärker und es gibt viele in meinem Beruf, die Aufgeben wollen und viele stellen sich die Frage ob sie das schaffen. Aber wenn man am Ball bleibt kann man ein gutes Leben bewerkstelligen."

Plötzlich Stille - Interview mit Bastian Menz

Was wir sehen ist zumeist das Fehlen von Konzerten. Die Bühnen blieben über Monate hinweg leer. An die sonst so ausschweifend tanzenden Menschenmassen vor aufwändig geschmückten Festivalbühnen kann man sich nur noch eben so wenig erinnern, wie an die kleineren Events in Bars und Restaurants, in denen man vor der Pandemie beispielsweise die lokale Jazzmusikszene genießen konnte. Aus der Letzteren stammt der dritte Künstler, welchen ich zu seinen Eindrücken bezüglich der und deren Einfluss auf die Musik befragt haben.

Zu diesem Zweck habe ich mit Bastian Menz gesprochen. Er steht kurz vor dem Abschluss seiner musikalisch-akademischen Ausbildung an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg und verdient seinen Unterhalt durch die von ihm praktizierte Musik. Er beherrscht verschiedene Instrumente – vor allem Schlagzeug, aber auch Klavier und Querflöte –, spielt in unterschiedlichen Jazzkombinationen und war Schlagzeuger einer Band, welche diverse Musikgenres in sich vereint. Unser über Zoom stattgefundenes Gespräch führte Bastian Menz aus seinem eigenem Proberaum. So einen Raum für sich und seine Musik zu haben ist absolut notwendig, da für kaum eine*n Musiker*in an klassisches Homeoffice zu denken ist. Doch der Umstand, dass er wie viele Musiker*innen gezwungenermaßen viel Zeit allein im Proberaum verbringt, ist nicht das Einzige, was sich an dem Musikalltag radikal geändert hat.

Anfangs ermutigte ich unseren Interviewgast über die Zeit vor den Corona-Maßnahmen zu sprechen. Die Zeiten, in denen man unbeschwert durch Bars tingeln konnte und Musik nicht nur für Musiker*innen ein fester Bestandteil des Nachtlebens waren, sind jedoch so weit entfernt, dass Bastian Menz erst einen Moment brauchte, um uns seinen Alltag vor den omnipräsenten Schließungen im Kulturbetrieb zu schildern. Eigentlich spiele er „mehrere Konzerte“ die Woche, wobei jedoch klare saisonale Unterschiede zu erkennen sind. Durchschnittlich sei aber von „ein bis zwei Konzerten in der Woche“ auszugehen. Allerdings sind diese nur nach Außen wirkenden Verpflichtungen. Aufgrund der vollen Terminkalender „gibt es zwei bis drei Proben pro Konzert“; jedoch komme noch individuelle Vorbereitung und Anfahrt hinzu. Betrachtet man nun diese exemplarische Skizze seines Arbeitsalltages wird schnell klar: Corona lies all das von einem auf den anderen Moment nicht mehr zu. Während des Interviews betonte Bastian Menz, dass alle lediglich das Wegfallen der Konzerte sehen würden. Aber auch falls diese gespielt wurden, gab es keinerlei oder sehr eingeschränkte Möglichkeiten sich in den verschiedenen Konstellationen zu proben und dabei die Kontaktbeschränkungen zu berücksichtigen. Von ihm wird das wie folgt zusammengefasst: „Man steht zwar mit den Leuten auf der Bühne, aber vorher ist man in viel engerem Kontakt. Um mit den Leuten gemeinsam zu spielen, muss vorher eine gemeinsame Beziehung aufgebaut werden“.

Da das alles wegfiel, war seine Kreativität auf eine andere Art gefordert. Es mussten Lösungen her, auch wenn diese lange nicht so erfüllend schienen wie sein sonstiger Rhythmus. „Anfangs war ich viel zu Hause und habe nur für mich allein geübt. Außerdem habe ich viel Musik gehört und habe so versucht weiterzukommen“. Die Pandemie hieß für ihn vor allem auch eins: Stillstand. Für einen Beruf, der so schnelllebig ist, in dem man die unterschiedlichsten Leute kennenlernt und immer auf der Suche nach neuem Input ist, ist diese abrupte Unterbindung der pulsierenden Szene in Hamburg ein Desaster. Auch die persönliche beziehungsweise musikalische Entwicklung vieler Musiker*innen würde darunter leiden. Viele treten auf der Stelle; doch jeder sucht nach neuen Möglichkeiten sich zu entfalten, da keiner abgehängt werden möchte. Doch die Stagnationen hatte für Bastian Menz auch etwas Positives. Durch die anwachsende Ratlosigkeit probierte er sich in neuen Bereichen aus. Zum Beispiel begann er damit, sich der Komposition zu widmen und arrangierte Stücke für sein eigenes Jazz Quartett, in dem er selbst Schlagzeug spielt. Das Stück Rakete können Sie in dem Video unten direkt ansehen. 

Jedoch wurde man auch bei der Suche nach organisatorischen Alternativen fündig. Alle wollten einfach etwas anderes als jeden Tag zu üben, denn dadurch „verkümmert die Kunst zum Handwerk“. Als einer von Wenigen hatte Bastian Menz die Möglichkeit bei mehreren Streamingkonzerten mitzuspielen. „Wenigstens konnte man irgendwie spielen“, man hatte das Gefühl ihm fiel ein Stein vom Herzen, „und tatsächlich waren die Gagen auch in Ordnung“. Man muss sich das etwa wie folgt vorstellen: Bars, Clubs oder Veranstalter*innen jeglicher Art filmen ihre Konzerte vor Ort. Diese werden Live auf den jeweiligen Websites oder größeren Streamingplattformen wie Twitch oder in dem spezifischen Fall hamburg.stream dargeboten. Dazu haben die Zuschauenden die Möglichkeit, Geld zu spenden.

Darüber hinaus meinte unser Interviewpartner, dass sich für ihn persönlich und seinen beruflichen Werdegang einiges geändert hat durch die gesellschaftliche Ausnahmesituation. „Ich hatte immer einen Plan gehabt. Ich bin davon sicher ausgegangen, dass die Szene, in der ich mich befinde, Ewigkeiten in dieser Form fortbestehen wird.“, wird mir gestanden. Er – sowie alle seiner Mitmusiker*innen – hatte nicht mit solchen radikalen Veränderungen gerechnet. Ihm ist nun klar geworden, dass es „nichts bringt, weit im Voraus seinen musikalischen Werdegang zu planen.“ Viele würden den von ihnen eingeschlagenen Weg zum ersten Mal auf einer existentiellen Ebene hinterfragen. Das gilt vor allem für Musiker*innen, welche am Beginn ihrer Laufbahn stehen. Ein Jahr ohne Input, ein Jahr auf der Stelle zu treten, führte dazu, dass viele andere Perspektiven gesucht haben. Manche hätte es sogar ganz aus der Musikszene getrieben. Sichtlich emotionalisiert fügt er hinzu: „Viele haben ihre Perspektive, ihre Lust verloren an der Musik. Es hat sich nicht nur ein Jahr nichts ergeben oder ist schlecht gelaufen.“ Es wurden ganze Weltbilder auf die Probe gestellt. 

„Die Vorstellung Musiker zu werden, war ein Jahr komplett weg“.

Die Angst über die eigene Zukunft und die Monate herrschende Ungewissheit über den eigenen Lebensentwurf stand nun statt Lebenslust und Künstlerlaufbahn an der Tagesordnung. „Wir wurden mit der Realität konfrontiert“. Jedoch wünschen wir, dass wenn diese Krise überwunden wurde, die Realität für die Künstler*innen wieder vielversprechender ist. 

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