Corona und Gesundheit final

Corona und Gesundheit

Rückenschmerzen, Abgeschlagenheit, Gewichtszunahme: Diese Symptome plagen viele seit der Pandemie. Doch wie gravierend hat sich unsere Gesundheit wirklich verändert? 

Noch nie war das Bewusstsein für Gesundheit so präsent in unserem Alltag wie im letzten Jahr. 3,72 Millionen Infektionen und fast 90 000 Tote deutschlandweit (RKI, Stand 13.06.21). Das Infektionsgeschehen definiert das Bild von Gesundheit. Doch es gehört viel mehr dazu! Studien zeigen, dass die Folgen der Pandemie und die Veränderungen unseres Lebensstils weit über eine Infektion hinausgehen und wahrscheinlich auch langfristig unsere physische und psychische Gesundheit beeinflussen.

Auch Lisa, 20, Studentin aus Berlin, hat mit den Folgen zu kämpfen. Sie ist fiktiv und steht in diesem Beitrag für viele Studierende oder auch Berufstätige, deren Alltag sich durch Corona stark verändert hat.

 

Die Corona-Pandemie hat aber auch unser Bewusstsein verändert. So haben viele Unternehmen ihren Mitarbeitern die Arbeit im Home-Office ermöglicht und möchten das auch in Zukunft tun. Und auch bei jedem Einzelnen gibt es Veränderungen: Viele junge Menschen machen sich zum Beispiel mehr Sorgen um die Gesundheit ihrer Mitmenschen. Auch das Bewusstsein für den eigenen Körper hat sich geändert, so können zwei von drei Menschen zwischen 65 und 75 Jahren die Signale ihres Körpers besser deuten als zuvor.

Bewegungsmangel im Alltag

Die Maßnahmen der Regierung haben auch im Breitensport große Veränderungen bewirkt. Ob Handball, Hockey oder Hochsprung. Für einen Großteil der 27 Millionen Vereinsmitglieder*innen ist im vergangenen Jahr neben einem sozialen Anlaufpunkt, auch der regelmäßige sportliche Ausgleich weggebrochen. Auch Lisas Handballmannschaft konnte seit rund einem Jahr nicht mehr richtig trainieren. Erst kam der Lockdown, dann wurde die Halle zum Testzentrum, später zum Impfzentrum umgebaut. Zwar können die Handballerinnen mittlerweile wieder auf einem Sportplatz trainieren, die Motivation ist bei vielen aber noch nicht zurückgekehrt. Das weiß auch Dr. Mischa Kläber, Ressortleiter für Präventionspolitik und Gesundheitsmanagement des Deutschen Olympischen Sportbundes, denn die lange Pause habe sich dramatisch auf die Mitgliederzahlen in den Vereinen ausgewirkt.

“Wir gehen derzeit von einem Verlust von rund einer Million Mitglieder aus. Das mag für den einen oder anderen noch überschaubar klingen, aber gerade bei den Kindern und Jugendlichen sehen wir deutliche Rückgänge.” 

Die Mitgliederstatistiken des Deutschen Olympischen Sportbundes, der Landessportbünde und der Spitzenverbände versprechen zudem wenig Hoffnung auf Besserung. Denn in den vergangenen Jahren stagnierten die Mitgliederzahlen weitestgehend.

“Ich weiß wie schwer es ist Menschen für Bewegung zu begeistern und dauerhaft bei der Stange zu halten. Man verliert Menschen schnell, wenn es um Sport und Bewegung geht und es ist extrem schwierig diejenigen, die aufgehört haben wieder zu aktivieren”, sagt Mischa Kläber. 

Auch Lisa überlegt mit dem Handballspielen aufzuhören. Dabei leidet sie seit der Pandemie unter verschiedenen körperlichen Folgen, die vermutlich auch durch die fehlende Bewegung verursacht werden. Eine davon: Gewichtszunahme.

Corona befeuert eine neue Pandemie

Den ganzen Tag am provisorischen Schreibtisch, kein Vereins- oder Hochschulsport, selbst der Weg zur Uni oder der Bibliothek fällt weg. Und dann den ganzen Tag Snacks in Griffweite. Kein Wunder, dass auch Lisa das ein oder andere Kilo zugenommen hat. Und sie ist nicht alleine: Jede*r Dritte (33%) hat zugenommen, seit Arbeit vermehrt im Home-Office stattfindet. Das ergab eine Befragung von Forsa im Auftrag der DAK Gesundheit.  

"OVERWEIGHT Notiz an der 250 Pfund Marke" by marcoverch is licensed under CC BY 2.0

26% der Befragten geben demnach an, mehr als drei Kilogramm zugenommen zu haben. 7% haben sogar mehr als 5 Kilo zugenommen. Bei insgesamt der Hälfte hat sich das Gewicht nicht verändert, 14% haben sogar abgenommen. Dass die Corona-Pandemie die Gefahr für Adipositas verstärkt, bestätigt auch eine Studie von Forsa und dem Else Kröner-Fresenius-Zentrum für Ernährungsmedizin. Rund 40 Prozent der Befragten demnach seit dem Beginn der Pandemie zugenommen zu haben. Etwas mehr als die Hälfte bewegt sich zudem weniger als vor der Corona-Krise. Überdurchschnittlich häufig betroffen sind die 30- bis 44-Jährigen (48 Prozent) sowie die Befragten, die bereits zuvor ein Gewichtsproblem hatten (60 Prozent). „Corona befeuert damit die Adipositas-Pandemie“, sagt Hans Hauner, Ernährungsmediziner und Leiter des Else Kröner Fresenius Zentrums für Ernährungsmedizin.

 

Die Folgen des Stillstands

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die körperliche Verfassung nimmt auch Dr. Alberto Schek wahr, Chefarzt für Sportmedizin und Prävention der Paracelsus-Klinik in Bremen. “Der Bewegungsmangel ist für den Menschen eine Katastrophe”, erklärt er. Denn das ständige Sitzen vor dem Bildschirm würde den Körper, insbesondere die Wirbelsäule und Rückenmuskulatur, extrem beanspruchen. Nach Angaben der Seite „Ergo-Online“ des hessischen Sozialministeriums sogar deutlich mehr als Stehen oder Gehen. Denn durch ständiges Sitzen kann die Rumpfmuskulatur erschlaffen, Bänder und Bandscheiben können übermäßig beansprucht und Muskeln zurückgebildet werden. Die Folgen: Kopf- Nacken und Schulterschmerzen, die durch anhaltenden Stress noch verstärkt werden.  

Mit diesen Beschwerden wird auch Maike Köhler immer öfter konfrontiert. Sie ist Physiotherapeutin in Hannover und viele ihrer Patient*innen klagen seit der Pandemie vermehrt über Schmerzen im Rücken-, Nacken- und Schulterbereich. Der harte Einschnitt in den Alltag wird ihrer Meinung nach aber unterschiedlich gemeistert:

Beim Nichtstun drohen weitere Folgen!

Doch der Bewegungsmangel belastet nicht nur Knochen, Sehnen und Muskeln, sondern auch das Herz-Kreislauf-System. Das zeigt auch eine Studie der Weltgesundheitsorganisation aus dem Jahr 2016.

Laut der Studie bewegt sich rund ein Viertel der erwachsenen Weltbevölkerung zu wenig. In Kombination mit einer ungesunden Ernährung und Übergewicht sei dadurch das Risiko für rund 1,4 Millionen Menschen gestiegen an nicht übertragbaren Krankheiten, wie Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen, Diabetes oder Krebs zu erkranken. 

“Die Corona-Pandemie kann kein Argument sein, sich nicht sportlich zu betätigen. Die Menschen müssen ihren inneren Schweinehund überwinden”, appelliert Dr. Alberto Schek. 

Wie wichtig diese Forderung ist, zeigt auch eine aktuelle Studie aus Boston, im US-Bundesstaat Massachusetts.

Ein Teufelskreislauf

Corona, Bewegungsmangel und Übergewicht – Wenn diese drei Faktoren zusammenkommen, wird es oft tödlich. 

Forscher der Bostoner Tufts University haben herausgefunden, dass zwei Drittel aller Covid-19 Klinikaufenthalte in den USA auf starkes Übergewicht, Diabetes, Bluthochdruck und Herzschwäche zurückzuführen sind. Krankhaftes Übergewicht war hier der wichtigste Risikofaktor: Bei Betroffenen mit Adipositas, Diabetes und Herz-Kreislauf-Leiden ist die Immunabwehr des Körpers oft geschwächt. Starkes Übergewicht führt außerdem zu einer schlechteren Lungenfunktion. Rund 30% der schweren Covid-Verläufe, die in Krankenhäusern behandelt werden mussten, sind auf Adipositas zurückzuführen, so die Autoren in einem Artikel im “Journal of the American Heart Association”. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-Pandemie greifen massiv in unser Leben ein und führen bei vielen zu Bewegungsmangel, schlechter Ernährung und Übergewicht. Dadurch werden schwere Verläufe wahrscheinlicher, die wiederum zu höheren Todeszahlen und schärferen Maßnahmen führen. Ein Kreislauf, den es zu durchbrechen gilt. 

Hilfe für Zuhause

Um etwas gegen den Bewegungsmangel zu tun und vor allem Rücken-,Nacken-und Kopfschmerzen vorzubeugen, hat Maike Köhler eine Reihe von Übungen zusammengestellt, die Entlastung für den Körper bieten sollen:

 

Übung 1: Wandsitzen

Die Füße etwa Hüftbreit einen Schritt von der Wand entfernt aufstellen und den gesamten Rücken an die Wand drücken. Arme links und rechts vom Körper an die Wand legen, Schulterblätter zusammenziehen, leichtes Doppelkinn bilden und Grundspannung halten.

Übung 2: Ausfallschritt

Setze einen Fuß etwas weiter als eine Schrittlänge nach vorne. Halte den Oberkörper gerade. Der vordere Fuß steht mit der gesamten Fußsohle fest auf dem Boden, der hintere berührt den Boden nur noch mit der Spitze des Fußes. 

Übung 3: Schulterdehnung 

Stelle dich aufrecht hin. Drehe deine Schulter zur Wand und setze einen Fuß etwa eine Schrittlänge nach vorne. Beide Füße berühren mit der gesamten Fußsohle den Boden. Platziere die Hand, die zur Wand gedreht ist in Höhe deines Kopfes an der Wand. Der andere Arm wird in einem Winkel von 45° von dir weggestreckt. Drehe den Kopf leicht in die Richtung des ausgestreckten Arms.

Brauchen wir nach Corona alle eine Brille?

Die körperlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie gehen jedoch noch weiter. Denn neben den Folgen für den Bewegungsapparat und das Herz-Kreislauf-System, leiden auch die Augen unter der Arbeit im Home-Office. 

Eigentlich hatte Lisa nie Probleme mit ihren Augen. Aber seitdem ihr Studium ausschließlich online stattfindet, hat sie das Gefühl, dass ihre Augen schlechter geworden sind. Ihr komplettes Leben scheint sich nur noch vor dem Monitor abzuspielen. Online-Unterricht, Hausaufgaben, und auch Freunde trifft sie online. In letzter Zeit hatte sie mehr Kopfschmerzen als sonst. Und tatsächlich: Auch eine Studie der britischen Organisation „Fight for Sight“ bestätigt das. Schuld ist vor allem eine erhöhte Bildschirmzeit. Die Umfrage im Vereinigten Königreich (UK) unter Menschen, die während des Lockdowns länger vor Bildschirmen saßen, ergab, dass 38% von ihnen eine Sehschwächen entwickelt haben, die sich durch Schwierigkeiten beim Lesen, Migräne und schlechterer Nachtsicht bemerkbar macht.

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Die Online-Umfrage, die YouGov im Auftrag von Fight for Sight durchführte, zeigt, dass fast die Hälfte (49%) der Befragten seit Pandemie-Beginn länger vor dem Bildschirm sitzt. Ein Drittel (33%) gaben an, zwischen zwei und vier Stunden mehr vor dem Bildschirm zu verbringen. Besonders betroffen sind Studierende wie Lisa. Die Hälfte von ihnen und mehr als vier in zehn (42%) berufstätigen Erwachsenen glauben, dass eine höhere Bildschirmzeit während der Covid-19-Pandemie ihre Sehkraft negativ beeinflusst hat. Von den Befragten, deren Sehkraft sich durch die Pandemie verschlechtert hat, geben 39% an als Ergebnis Schwierigkeiten beim Lesen zu haben. 23% haben Kopfschmerzen und Migräne, 17% glauben eine schlechtere Nachtsicht zu haben.


Um die Augen auch bei erhöhter Bildschirm zu schonen, sollte Lisa regelmäßig die sogenannte 20-20-20 Regel anwenden, um die Augenbelastung zu verringern. Die Regel empfiehlt, dass sie pro 20 min Bildschirmzeit für 20 Sekunden auf etwas Anderes schauen soll, das 20 Fuß (6m) entfernt ist. Außerdem empfiehlt „Fight for Sight“ regelmäßige Augentests um entsprechende Schäden frühestmöglich erkennen und behandeln zu können.

Wie wirkt die Pandemie auf unsere Psyche?

Lisa bemerkt nach vier Wochen hartem Lockdown, dass sie schwerer aus dem Bett kommt und kaum Motivation findet, sich an den Berg von Studienaufgaben zu setzen. 

Schon seit ein paar Tagen hat sie keine festen Strukturen mehr, nun liegt sie den ganzen Vormittag im Bett. Sie denkt über ihre Freunde nach, wann sie sie das letzte Mal gesehen hat. Frust und Verärgerung kommen in ihr hoch. Hinzu kommen finanzielle Nöte: Seitdem sie ihren Minijob verloren hat, muss sie an allen Ecken und Kanten sparen. 

“Unser Gehirn reagiert auf die Unsicherheit so, als würde Lebensgefahr bestehen.”

Gabriele Wingerter-Wolters, Diplom-Psychologin, Therapeutin und Coach

Junge Frauen sind besonders betroffen

Frustration, finanzielle Verlustängste, Langeweile und das Gefühl, unzureichend informiert zu sein, sind nur einige Symptome, die nach längerer Isolation auftauchen. Dabei gehört Lisa als junge Frau zu einer Gruppe, die besonders für psychische Krankheiten anfällig ist. Das geht aus einer repräsentativen Studie des Instituts für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP) in Leipzig hervor. Viele junge Frauen seien schwer von den Folgen der Pandemie betroffen, es ist ein Anstieg von Angststörungen zu erkennen. Sowieso haben Frauen mehr als ein doppelt so hohes Risiko als Männer an affektiven und Angststörungen zu erkranken; das Risiko an einer posttraumatischen Belastungsstörung zu erkranken, ist dreifach so hoch, dies geht aus dem Bericht der Bundes Psychotherapeuten Kammer von 2020 hervor. 

Menschen, die schon vorher an einer psychischen Krankheit litten, rutschen noch tiefer hinein, so stieg der Anteil von moderaten bis schwer ausgeprägten depressiven Symptomen von 6,4 aus 8,8 Prozent an, fanden Forscher*innen im Rahmen einer Studie der NAKO Gesundheit heraus. Auch Menschen mittleren Alters und solche, die im Gesundheitssystem arbeiten, sind stärker gefährdet psychisch zu erkranken. Dabei erleben Ältere ab 65 Jahren kaum eine Veränderung der psychischen Gesundheit durch die Pandemie.

 

Covid-Erkrankte

Eine im Fachjournal “The Lancet” veröffentlichte britische Studie ergab, dass es Unterschiede in der Entwicklung von psychischen Erkrankungen zwischen an Covid-Erkrankten und nicht Erkrankten bzw. Menschen mit anderen Atemwegserkrankungen gibt. Bei Covid-Erkrankten steigt das Risiko, neurologisch oder psychisch zu erkranken um 44 Prozent im Vergleich zu dem Risiko nach einer herkömmlichen Grippe. Diagnostiziert wurden am häufigsten: Angststörungen (17%), Stimmungsschwankungen (14%), Schlaflosigkeit (5%), Hirnblutungen (0,6%), Schlaganfälle durch Blutgerinnsel (2,1%) und auch Demenz (0,7%). Bei jede*r Dritte der Befragten wurden innerhalb von 6 Monaten nach der Erkrankung neurologische oder psychische Krankheiten festgestellt.

Wie wirksam ist eine Online-Therapie?

Die 20 Prozent-Regel für Video-Behandlungen ist bis zum Juni dieses Jahres ausgesetzt. Somit dürfen Psychotherapeuten mehr als 20 Prozent ihrer Patienten online therapieren (dgppn). Studien belegen, dass Online-Therapien eine höhere Wirksamkeit haben als bisher angenommen (BPtK, 2017). Die Möglichkeiten, sich auch online therapieren zu lassen, gewinnt gerade in der Pandemie an Bedeutung, da das Risiko sich anzustecken wegfällt. 

Doch wie schätzen Psychologen die Wirksamkeit dieser Behandlung ein? Zwei Drittel der befragten Psychotherapeut*innen schätzen die Wirksamkeit der Online Therapie schlechter als die herkömmliche Therapie ein (Blitzumfrage der DPtV). Studien belegen jedoch das Gegenteil: Online-Therapien können ähnlich wirksam sein wie persönliche Treffen. Doch es kommt auf die Erkrankung an, zum Beispiel können Depressionen gut online behandelt werden (AOK). Andererseits muss die passende Therapieform individuell abgestimmt werden. Neben den Behandlungen übers Telefon und über Videocall werden auch Chats angeboten. Die Psychologin Gabriele Wingerter-Wolters sieht hier die Gefahr, dass viele (Körper-)Signale auf der Strecke bleiben. “Worte bleiben der Ausdruck dessen, wie das Denkhirn die Gefühle umgesetzt hat.”, gibt sie zu bedenken. Somit muss der Patient selbst ausprobieren und herausfinden, welche Option für ihn die Beste sei. 

Was die Pandemie für Kinder und Jugendliche bedeutet

Besonders bei Kindern und Jugendlichen zeigen sich die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den seelischen Zustand. Schule und Kita vor Ort, das Besuchen öffentlicher Veranstaltungen, Freunde treffen – all das war plötzlich nicht mehr möglich. Diese drastischen Veränderungen des Lebensalltags können für Kinder und Jugendliche kritische Lebensereignisse sein, die zu psychischen Problem führen können. 

 

So geht es auch Lisas kleinem Bruder Jonas. Er geht in die fünfte Klasse. Genau wie viele seiner Freund*innen und Klassenkamerad*innen ist für ihn das Homeschooling anstrengend. Viel lieber würde er rausgehen und mit seinen Kumpels abhängen. Laut der COBSY-Studie, die die Auswirkungen der Pandemie in der ersten Welle untersucht hat, stellt das Homeschooling für 64,4% aller befragten Kinder und Jugendlichen eine Belastung dar. Den verringerten Kontakt zu Freund*innen empfinden 82,8% aller Kinder und Jugendlichen als belastend. Auch fühlen sich 27,6% der Befragten durch Streit innerhalb der Familie belastet. Das merkt auch Jonas. Ständig muss er sich mit Lisa das Badezimmer teilen und sie braucht immer sooo lange. Insgesamt liegt die grundsätzliche Belastung, die Kinder und Jugendliche durch die Pandemie und die damit verbundenen Beschränkungen und Veränderungen verspüren, bei 70,7%. Zudem habe sich die allgemeine Lebensqualität im Vergleich zu Zeiten vor Corona verschlechtert. 

Während der ersten Welle der Corona-Pandemie wurden bei fast jedem dritten Kind psychische Auffälligkeiten erkannt; vor der Pandemie war etwa jedes fünfte Kind betroffen. 24,1% aller Kinder und Jugendlichen gaben zudem Symptome einer generalisierten Angststörung an. Hinsichtlich einer steigenden Häufigkeit depressiver Symptome hingegen konnte im Vergleich zur Nicht-Corona-Zeiten (noch) kein signifikanter Unterschied festgestellt werden. So empfand lediglich ein Anteil von 6,6% der Befragten an jedem Tag der ersten Welle Niedergeschlagenheit, Schwermut und Hoffnungslosigkeit. 20% gaben an, diese Symptome nur an einzelnen Tagen zu erleben, während 73,5% derartige Symptome nicht bei sich festgestellt haben. 

Aber wie verhalten sich Kinder und Jugendliche hinsichtlich ihrer eigenen Gesundheit während der Pandemie? Ein Fünftel (19,3%) gab an, keinen Sport zu treiben und ein Viertel (26,3%) berichtete, mehr Süßigkeiten zu essen als vor COVID-19. Zudem berichteten mehr als zwei Drittel (69,9%) der Kinder und Jugendlichen von einer Zunahme des Medienkonsums. Ein Drittel verbrachte vier Stunden oder mehr pro Tag mit der Mediennutzung. 

Gaming und Social Media in Zeiten der Pandemie 

Wenn Jonas nach dem Bearbeiten seiner Hausaufgaben Freizeit hat, zockt er meistens. Vor Corona hat er sich lieber mit Freund*innen persönlich getroffen, aber weil das jetzt nicht mehr geht, verbringt er viel mehr Zeit vor dem Bildschirm. Von seinen Klassenkamerad*innen weiß er, dass auch sie im Moment sehr viel zocken. Die DAK hat in einer Studie das Mediennutzungsverhalten bezüglich Gaming und Social-Media-Aktivitäten untersucht. Erste Zwischenergebnisse zeigen, dass bei fast 700.000 Kindern und Jugendlichen das Gaming als riskant oder pathologisch eingestuft wird. Verglichen mit dem Herbst 2019 nahmen die Spielzeiten werktags um bis zu 75 Prozent zu. 

Bei 170.000 Kindern und Jugendlichen (3,2%) wurde eine pathologische Nutzung von Social-Media-Kanälen festgestellt. Das entspricht einem Anstieg der Nutzungsdauer von 66 Prozent werktags. Die Gründe für die erhöhte Mediennutzung sind viele: Langeweile bekämpfen, Kontakt mit Freunden, Familie oder Bekannten halten, Stress abbauen oder der Wunsch nach dem Entfliehen der Realität. Das kann Gefühle wie Einsamkeit oder Kontrollverlust reduzieren. Es liegt nah, das die Nutzer*innen, die aus diesen Gründen Medien konsumieren, besonders gefährdet sind, ein riskantes bis pathologisches Nutzungsverhalten zu entwickeln. 

9 Tipps zum Aufrappeln  

…zum Hören!

Lisa und Jonas kennen es nur zu gut: Im Homeoffice hapert´s mal wieder an der Technik, Mama und Papa machen auch nur Stress und Freunde haben sie auch seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Da kommt die altbekannte Corona-Tiefstimmung auf. Aber es gibt Möglichkeiten, dagegen anzukommen. Es gibt einige Tipps zum Aufrappeln:

  1. Weniger ist mehr

Besonders am Anfang der Pandemie überfluteten uns die Schreckensbilder aus Italien. Sich immer wieder die (negativ geprägten) Nachrichten anzuschauen, kann unsere Psyche auf Dauer schwer belasten. Daher nehmen Sie sich nur ein paar Minuten am Tag für die Nachrichten Zeit, hören Sie die Nachrichten lieber in einem Podcast oder lassen sie sich von einer Person in ihrem Umfeld auf den neuesten Stand bringen.

  1. Emotionale Nähe trotz Distanz

Geteiltes Leid ist bekanntlich halbes Leid. Mit anderen über die Medien in Kontakt zu treten, kann deshalb hilfreich sein. Telefonate und das Chatten via Whatsapp und Co. kann helfen, emotionale Nähe trotz Distanz zu erzeugen. Videoanrufe können zusätzlich das Gefühl dieser Nähe verstärken. Beim Gespräch sollte man die Corona-Thematik nicht vermeiden. Besser ist es, sich über den praktischen Umgang mit der Pandemie auszutauschen. Denn es kann entlastend sein, zu sehen, wie andere die Situation handhaben.

  1. An andere Menschen denken

Andere Menschen zu unterstützen, tut gut; nicht nur der Person, der geholfen wird. Dadurch, dass man anderen hilft, nutzt man seinen Tag sinnvoll und hat sich damit selber eine Aufgabe geschaffen, die dem Tag ein bisschen Struktur verleiht. Wie die Hilfe aussieht: Ob ein kurzer Anruf, eine nette Textnachricht, das Verschicken eines Pakets, um zu zeigen, dass Sie an jemanden denken oder ob Sie für die alte Dame von Nebenan Einkaufen gehen – in dieser Zeit ist es für alle wichtig und tröstlich, sich gegenseitig zu unter die Arme zu greifen. 

  1. Reden

Ob in der Partnerschaft oder mit ihren Kindern: Reden Sie über ihre Gefühle und Gedanken! Erklären Sie ihren Kindern altersgerecht, was los ist und zeigen Sie, dass Sie für sie da sind. Scheuen Sie sich im Gespräch mit ihrem Partner nicht vor Konflikten. Versuchen Sie stattdessen, gegenseitiges Verständnis aufzubringen. 

5. Tagesstruktur durch positive Aktivitäten

Um sich eine feste Tagesstruktur zu schaffen, ist es wichtig, für Schlaf und Nahrungsaufnahme festgelegte Zeiten einzuhalten. Damit Ihre innere Stabilität erhalten bleibt, ist es sinnvoll, den Tag mit Aktivitäten zu füllen, die Körper und Geist guttun. Diese Aktivitäten sollten für Sie persönlich wichtig sein. Je mehr diese Ihrem eigenen Interesse entsprechen, desto besser sind die Auswirkungen auf Ihre Stimmung. Einige Ideen sind:

Bewegung: Wie Studien nachweislich belegen, helfen Bewegung und Sport, die Laune zu verbessern. Verbringen Sie dabei noch Zeit in der Sonne, können Sie  zusätzlich Ihren Vitamin-D-Tank auffüllen. 

Lesen und Hören: Kramen Sie Ihr altes Lieblings(hör)buch heraus. Vielleicht weckt es ja schöne Erinnerungen an alte Zeiten. 

Basteln, Malen, Handarbeit usw. regen die Kreativität an. Vielleicht lernen Sie ja sogar etwas Neues.

Spielen: Holen Sie das alte Monopoly aus dem Versteck und legen Sie los!

  1. Achten Sie auf einen gesunden Schlafrhythmus.  

Ein gesunder und regelmäßiger Schlafrhythmus hilft Ihnen dabei, sich gut zu erholen. Das senkt depressive Verstimmungen. Um gut schlafen zu können, füllen Sie Ihren Tag mit vielen abwechslungsreichen Aktivitäten und machen Sie vor dem Schlafengehen etwas Entspannendes. Zu lange schlafen oder morgens länger im Bett liegenbleiben ist allerdings kontraproduktiv und kann depressive Verstimmungen sogar noch verstärken. 

  1. Lassen Sie Gefühle zu

Negative Gefühle haben genau wie positive die Berechtigung, da zu sein. Sie gehören zum Leben dazu und sollten deshalb nicht einfach ignoriert werden. Wenn Sie weinen müssen- weinen Sie. Danach geht es meistens schon wieder etwas besser. Das Unterdrücken von Gefühlen funktioniert auf lange Sicht nicht.

Kleine Ziele

Setzen Sie sich für jeden Tag ein kleines Ziel, das bis zum Ende des Tages geschafft sein soll. Das kann alles Mögliche sein… den Garten pflegen, ein wichtiges Telefonat erledigen oder die nächsten 50 Seiten Ihres Buches lesen. Die kleinen Erfolgserlebnisse versüßen ganz sicher Ihren Tag.

  1. Übungen für Herz und Kopf

Fokus steuern

Wenn einmal das Gedankenkarussell in Fahrt kommt, ist es kaum mehr zu stoppen. Noch schlimmer ist es, wenn das Gedankenkarussell nur negative Gedanken mitnimmt. Um es wieder anzuhalten, sollten Sie ihren Fokus auch auf die schönen Situationen in ihrem Alltag setzen. Überlegen Sie: Was mag ich mit mir allein machen? 

Gedanken aus dem Kopf lassen

Schreiben ist die einfachste Therapie. Verschriftlichen Sie ihre Gedanken, somit hört ihr Gedankenkarussell von ganz allein auf, sich zu drehen. Dabei ist es nicht wichtig, eine Lösung zu finden. Selbst wenn Sie nur Fragen aufschreiben, ohne diese zu beantworten, kann es helfen, ihre Gedanken zu strukturieren. 

Das Wohlbefinden-Tagebuch

Im Wohlbefinden-Tagebuch können Sie die kleinen Momente des Wohlbefindens festhalten. Das kann der erste Kaffee am Morgen sein, der Sonnenuntergang oder auch all die vielen Gründe, warum Sie heute lachen mussten. Schreiben Sie diese Momente auf und wiegen Sie sie gegen die Dinge auf, die Ihnen aktuell schlechte Laune bereiten. Denn positive Gefühle können auf äußere Einflüsse einwirken. Setzen Sie die positiven und negativen Gedanken entgegen und verhandeln Sie: “Erst den Kaffee genießen und dann die neuesten Corona-Fallzahlen checken”. 

Ein Longread von: Marilyn-Luise Utke, Franziska Hubl, Jule Lampe und Jana Oppermann

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