Hunde statt Cashmere-Ziegen: Der Weg zu nachhaltigerer Mode – ein Interview mit Ugo Apuzzo

Ugo Apuzzo, 25 Jahre, Foto: privat

"Sei du selbst die Veränderung, die du dir für diese Welt wünscht".

Diese Worte mögen dem einen oder anderen bekannt vorkommen, und tatsächlich war es Gandhi, der sie aussprach. Für den 25-järigen Start-Up-Gründer Ugo Apuzzo ist das ein Prinzip, das er in der Gründung seines nachhaltigen Modeunternehmen stets anstrebt. Doch wie ist es ihm gelungen, eine umweltfreundliche Art der Kleidungsherstellung zu entwickeln und kann er damit auch langfristig erfolgreich sein? 

Im folgenden Text möchte ich euch von jungen Menschen erzählen, denen es gelungen ist, eine neue umweltfreundlichere Art des Spinnens zu finden, als die des Cashmeres und der Baumwolle. Sie haben es geschafft, innovative Produkte herzustellen, die zudem noch schön aussehen. Ermöglicht wurde dies durch die Textilfaser Chiengora und das Unternehmen „Modus Intarsia“. 

Das Chiengora ist eine Textilfaser, welche aus Hundehaaren besteht, die mit dem Häutungsvorgang von allein abfallen, weswegen sie üblicherweise „Hundewolle“ genannt wird. Sie ist nicht nur flauschiger als Cashmere, sondern auch thermoisolierender und wasserfester. Zudem ist von großer Bedeutung, dass Chiengora viel tierfreundlicher als andere Materialien ist. Um einen näheren Blick auf die Entstehung 

dieses revolutionären Unternehmens zu erlangen, habe ich mich mit einem der Gründer von „Modus Intarsia“ unterhalten und ausgetauscht.

Von Wirtschaftsstudenten zum Start-Up-Gründer - Eine erfolgreiche Veränderung?

Ugo Apuzzo ist 25 Jahre alt und in Neapel geboren. Zunächst studierte er Wirtschaft an der Bocconi Universität in Mailand und schließlich in Paris an dem “École des hautes Études Commerciales Paris” (HEC). Während seines Masterstudiums hat er dann 2 Jahre in der Strategieberatung gearbeitet- erst in Dubai und dann in Mailand.  

Die Strategieberatung fand er zu dem Zeitpunkt „sehr interessant, dynamisch und stimulierend“ wobei er natürlich einer gewissen Hierarchie unterworfen war und sich deswegen entschied, einen Blick in die Welt des Unternehmertums zu werfen. 

Er war fasziniert von der Freiheit, Entscheidungen zu treffen, die man im Unternehmertum genießt, und darüber hinaus von der Möglichkeit, sich große Ziele zu setzen.  

Daher wechselte Ugo im letzten Jahr seines Studiums an der HEC zum Unternehmertum.  

In den ersten sechs Monaten besuchte er die wichtigsten Kurse für die Gründung eines Unternehmens. Zwischen Januar und Juni 2021 gab es einen Wettbewerb, bei welchem sich die Studenten ein eigenes Start-Up ausdenken sollten. Alle zwei Wochen hatten sie Präsentationen vor einer Jury zu halten, die aus Investmentfonds, Universitätsprofessoren und ehemaligen Studenten, die ihr eigenes Start-Up nach dem Master-Abschluss gegründet hatten, zusammengesetzt wurde. Der Gewinner würde dann von „Station F“, dem weltweit größten Start-Up-Inkubator, eingeladen werden, um das Projekt ins Leben zu rufen. Und tatsächlich gewann Ugo mit seinem Arbeitspartner den Wettbewerb.  

Ein Sieg für die Umwelt

Doch wie kamen sie zu ihrer Siegesidee?  

„Wir haben direkt an den Fashion-Sektor gedacht, und uns bei der Recherche nach einem alternativen, nachhaltigen und ethischen Rohstoff orientiert, wobei unsere Bedingung war, dass dieser in großen Mengen produziert werden kann. Für die Herstellung von Baumwolle wird unendlich viel Wasser verbraucht und für die Herstellung von Cashmere wiederum werden Cashmere-Ziegen misshandelt, das Gleiche gilt für Wolle. Und schlussendlich verbrauchen all diese Tiere, die nur zu diesem einen Zweck gezüchtet und aufgezogen werden, natürliche Ressourcen, die sonst eingespart werden könnten.“  

Es ist offensichtlich, dass Ugo und sein Partner sehr umweltbewusst sind und lange über die ethischen und nachhaltigen Hintergründe ihres Start-Ups nachgedacht haben. Jedoch wollte ich noch genauer wissen, was ihr allererster Berührungspunkt mit der Thematik Chiengora war:  

„Die Erleuchtung kam zunächst meinem Partner. Er hatte zu Hause Hunde, die ihre Unterwolle ablegten. Sein Vater hatte sie eingesammelt, um sie in eine Tüte zu packen und zu einem Handwerker im Nachbardorf zu bringen, der aus den Haaren seines Hundes einen Hut machte.“ 

Ugo war begeistert von der Idee und begann daraufhin mit der Recherche für die Gründung, Marktanalyse, Materialbeschaffung (beispielsweise aus Hundesalons, von Züchtern oder von Privatpersonen) sowie für die Garnprüfung und beschäftigte sich mit den wirtschaftlichen Prognosen.  

Im Juni 2021 war es endlich so weit: Station F beginnt die Zusammenarbeit mit den beiden Studenten.  

Dann ging es weiter mit dem Prozess der Geschäftsplanung und Preisgestaltung, mit Economics und allem Notwendigen. Im Oktober 2021 war dann zwar alles fertig, aber die Produkte waren nicht marktfähig genug: „Offensichtlich waren zwei Wirtschaftsstudenten nicht in der Lage, etwas zu realisieren, das tragbar und cool war“, sagt Ugo. 

Zusammenarbeit ist alles!

Also machten sich beide auf die Suche nach einer Werkstoffingenieurin. Nach langem Sondieren, fanden sie eine in Berlin, die zusammen mit einer Modedesignerin genau die gleiche Vision hatte, und das Projekt eher in Richtung Mode entwickelt hatte. Ohne auf die geschäftliche Seite zu achten, nahmen sie die Unterwolle und entwickelten zwei Garne: Ein Cashmere-ähnliches und ein eher Angora-ähnliches. 

Durch dieses „Zusammenkommen“ zwischen Dezember und Januar gingen die beiden Berlinerinnen zusammen mit Ugo und seinem Geschäftspartner eine Kooperation ein und „Modus Intarsia“ war geboren. Das Motto des Start-Ups ist „Saving lost resources“. Sein Ziel besteht darin, der Erde nicht mehr zu nehmen, als sie uns schenkt, und nichts überschüssig dort zu hinterlassen, wo es eigentlich nichts zu suchen hat. 

Einer der wichtigsten Aspekte, um diese Produkte herzustellen ist zweifelsohne die Sammlung der Hundeunterwolle. In Kürze wird eine Plattform eingerichtet, welche es auch Privatpersonen ermöglicht, Unternehmen die Unterbodenschutzmittel zuzusenden. Diese müssen lediglich Daten wie Fellfarbe, Rasse und Gewicht angeben, und schon wird das Paket mit der Hundewolle versandt. Ugo weist darauf hin, dass die Plattform im Sinne der Nachhaltigkeit direkt mit der „DHL Green“-Schnittstelle verbunden sein sollte. 

Der Herstellungsprozess sei zudem identisch wie beim Cashmere, sodass keine neuen Maschinen entwickelt werden müssen. „Anstatt Maismehl in den Ofen zu geben, geben wir Kamut Mehl hinein und backen denselben Kuchen, nur nachhaltiger“, sagt Ugo und lacht. Derzeit verkauft „Modus Intarsia“ auf seiner Website Mützen, Schals und Pullover aus diesen beiden Garnarten.  

Was die Zukunft angeht, hofft Ugo auf mehr Sichtbarkeit in Deutschland und plant schon die Zusammenarbeit mit verschiedenen Marken, um Kleidung aus Chiengora, mit einem gemeinsamen Etikett und Co-Labeling, auf den Markt zu bringen. 

Er sagt auch, dass es heutzutage sehr kostspielig sei, eine eigene Marke zu gründen, gepaart mit Werbung, einer Website, Marketing, Influencern und eben allem, was dazu gehöre.  Das Potential für die Zukunft eines jeden Start-Ups stecke demnach in der Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen. 

Auch über den Tellerrand hinausschauen

Ugo hat das Konzept „Making a Difference“ im Blut, weil wie er selbst sagt: „Der erste Anreiz besteht darin, große Dinge zu tun und die Definition von „Making a Difference“ ist das, was meinen Ehrgeiz anregt. 

Tierschutz und Umweltschutz spielen ebenfalls eine sehr große Rolle, da diese im allgemeinen Interesse zukünftiger Generationen stehen werden.“ 

Zu dem Tierschutz-Aspekt fügt er hinzu: „Ich habe nie einen Hund gehabt, nie ein Haustier und ich war nie ein großer Tierliebhaber. Aber dann haben wir während der Projektstudie in ganz Italien zahlreiche Züchter besucht, um zu sehen, ob sie bereit wären, mit uns zusammenzuarbeiten und uns die Unterwolle zur Verfügung zu stellen.  So wurde dann das Streicheln all dieser Hunden, das ich am Anfang sehr mühsam fand, zu meinem Lieblingssport.“ 

Was Ugo anderen noch mit auf den Weg geben möchte ist, “Dinge auf eine andere Art und Weise anzugehen, auch mal aus dem Rahmen zu fallen, die Welt aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten ohne Angst zu haben – eben genau das zu machen, was uns im Sinn steht.” Sein Beispiel dafür war:  „Mache ich das Auslandssemester an einer Universität, die ich nicht sehr gut kenne, und wo nur der Freund eines Freundes studiert, oder mache ich das sechsmonatige Auslandssemester an der Standarduniversität, die jeder kennt“? Dann ist Ugo sich sicher: „Wir sind viel zu oft darauf fokussiert, das zu machen, was uns als einfacher erscheint.“ 

Und am Ende des Tages meint Ugo: „Ideen zu haben und zu wissen, wie man diese in die Praxis umsetzt, das ist Making a Difference“. 

Autor

Francesco Pellino

Francesco Pellino