„Der Tod hat nirgends Platz“

Pascale Klumpp, 21 Jahre, Foto: privat

Tod und Sterben gehören zum Leben dazu, darüber sprechen wollen aber die wenigsten. Für
Pascale Klumpp gehören diese „Tabus“ zum Alltag: Nach dem Abitur hat sie sich einen
Lebenstraum erfüllt – und wurde Bestatterin.

Wenn Pascale Klumpp von ihrem Werdegang erzählt, blickt sie meist in geschockte Gesichter.
Während viele ihrer ehemaligen Schulkameraden Lehramt studieren oder ins Ausland gegangen sind, war für die junge Frau klar: Sie möchte mit Menschen arbeiten – und genau das tut sie: Nur eben mit Toten. Die Steinheimerin hat nur noch wenige Monate, bis sie ihre Ausbildung zur Bestattungsfachkraft abschließt. Im Juni und Juli stehen die Prüfungen an, danach packt sie ihre Koffer und geht nach Berlin.

In einem Bestattungsunternehmen in Berlin-Charlottenburg will sie arbeiten, sagt sie. Die Offenheit und Toleranz in der Hauptstadt habe ihr gefallen. „Mit der Ausbildung erfülle ich mir einen Lebenstraum“, erzählt Klumpp begeistert. Was fasziniert sie am Tod und Sterben?

„Ich sage ungern ´Mein Beileid´“

Am Ende ihrer Schulzeit stand sie vor einem Scheideweg: Rettungssanitäterin oder Bestatterin
werden? Die Tätigkeiten eint die Ausnahmesituation. Klumpp ist froh darüber, nicht in den
Rettungsdienst gegangen zu sein, die Verantwortung sei ihr zu groß, ein Menschenleben noch
retten zu müssen. „Trotzdem sind wir Ersthelfer“, merkt sie an. „Für den Verstorbenen nicht
mehr, aber für die Angehörigen“. Besonders schwer ist es, wenn sie die Familien privat kennt.
„Ich sage ungern ´Mein Beileid´“, das sei ein Satz, der von einem Bestatter erwartet werde.
Man solle den Angehörigen Raum zum Trauern geben und auch Stille aushalten können. Das
werde in unserer Gesellschaft allgemein nicht viel getan, glaubt Klumpp. Von Trauernden wird
sofort erwartet, nach kurzer Trauerphase wieder einsatz- und funktionsfähig zu sein. „Der Tod
hat nirgends Platz, deshalb ist er so ein Tabu-Thema“, gibt sie zu Bedenken. Dabei ist es für
viele ein Bedürfnis, über das Sterben zu sprechen – wenn sie von ihrem Beruf erzählt, sprudelt
es aus den Menschen heraus. „Manchmal erzählt mir die Arzthelferin plötzlich von einem
Todesfall“, sie habe das Gefühl, die Leute sehnen sich danach, offen über den Tod zu reden,
schließlich sei jeder betroffen. Auf die Frage, warum der Tod ein Tabu-Thema ist, antwortet
sie: „Weil es einfach unfassbar wehtut“.

Bestatter: Handwerker und Seelsorger

Der Beruf ist vielfältig, Büroarbeit trifft auf direkten Kontakt mit den Toten. Manchmal müsse
auch ein Mensch zuhause abgeholt werden, der schon einige Zeit gelegen hatte. Ekel verspüre
sie nicht, manchmal machen sie Fälle aber betroffen. „Wenn jemand einige Wochen zuhause
liegt, fragt man sich: Ist niemandem aufgefallen, dass der Mensch fehlt?“. Nicht nur bei
Senioren bemerken die Angehörigen erst spät, dass kein Lebenszeichen mehr kommt. Bei
Jüngeren wird man dann doch emotionaler, weil der Ausnahmezustand da größer ist, sagt die
21-Jährige. Ein Bestatter ist Seelsorger für die Angehörigen, aber auch Handwerker, gar
Künstler: Das Grab muss dekoriert werden, die Trauerfeier organisiert. Abschiednehmen ist
auch viel Organisation, viele Anträge und hohe Papierstapel. Die Toten müssen abgeholt,
gekleidet und eingebettet werden. „Jeder Tote bekommt bei uns ein Kissen und eine Decke“,
erzählt Klumpp, die bei dem Gespräch nie von Leichen spricht. „Die Person ist zwar kalt und
starr, aber immer noch eine Person mit ihrem individuellen Leben und Erfahrungen“, die Würde
sei das Wichtigste und hat in jedem Fall Priorität.

Ihre bunten Haaren wurden schwarz

Die Autorin kennt Pascale Klumpp noch aus der Schulzeit, sie machten gemeinsam Abitur.
Damals hat sie bunte Haare getragen, zahlreiche Piercings an den Ohren. Die Piercings durften
bleiben, die Haare musste Klumpp färben. Erst waren sie pechschwarz, heute dunkelblond. Der
Arbeitgeber sei sehr kulant, deshalb muss sie die Piercings nicht ablegen. Dass sie auf ihre
Optik reduziert wurde und sie sogar ändern sollte, macht sie wütend. „Meine Haarfarbe sagt ja
nichts darüber aus, wie gewissenhaft oder gut ich arbeite“, sagt sie darüber. Auch wegen ihres
Geschlechts gibt es manchmal blöde Sprüche: Klumpp werde häufig nicht ernstgenommen,
weil sie eine Frau ist.

„Da kommt auf jeden Fall noch etwas“

Klumpp ist ein sehr religiöser Mensch – aber auch kritisch: Vor einigen Jahren nahm sie an
einer Maria 2.0-Veranstaltung teil. „Heute bekomme ich nur noch den Newsletter“, lacht sie.
Feminismus ist aber weiterhin eines ihrer Herzensthemen. Sie suche noch eine geeignete Form
des Engagements, aktuell nutze sie ihre Accounts auf Sozialen Medien zur Sensibilisierung in
ihrem Freundes- und Bekanntenkreis. „Da kommt aber auf jeden Fall noch etwas“, verspricht
sie und zwinkert.

Autorin

Stella Tringali

Stella Tringali