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Robins Reise durch die Welt der Digitalisierung

Robin sieht sich vor viele Herausforderungen gestellt. Unser/e fiktive/r Protagonist/in ist gerade mal 14 Jahre alt und steht im andauernden Konflikt, welche die virtuelle und reale Welt heute mit sich bringen, im Umbruch der Digitalisierung. Ein Konflikt, der sich durch viele Sphären des gesellschaftlichen Lebens zieht und Robin noch viel abverlangen wird.

Doch wer ist Robin?

Robin ist eine fiktive Persönlichkeit, welche als Synonym für eine junge Generation stehen soll, welche von Anfang an in die digitalisierte Welt hineingeboren wurde. Eine Generation in der es nicht unüblich ist, mit vier Jahren ein eigenes Smartphone zu bekommen, im Grundschulalter den eigenen Laptop und zwischendurch gibt es noch die Spielkonsole und das Tablet dazu. Vielmehr in ein Leben, indem analoge Bücher mehr und mehr ihre Existenzgrundlage verlieren und alles über digitale Datenbanken, Suchmaschinen und Lernplattformen funktioniert. Geschweige von Hobbys, des Kontakts mit anderen Kindern und so weiter.

In der realen Welt ist Robin schüchtern und zurückhaltend. In der Familie gibt es große Schwierigkeiten und dass Robin schlecht lesen und schreiben kann, macht vieles schwieriger. In der Schule wird Robin deswegen gehänselt und nach dem Homeschooling Pandemie Chaos, in welchem Robin nochmal mehr abgehängter war, als die Schulkamerad*innen, kommt nun noch dazu, dass Robin keinen Praktikumsplatz findet. Die Lehrer*innen scheinen Robin auch nicht mehr zu beachten und sich darum zu bemühen, Robin zu helfen.

Leider musste Robin auch schon eine Mobbing Attacke auf WhatsApp ertragen. Seine Mitschüler*innen hatten ihn wegen seinen schulischen Leistungen und zurückhaltender Art arg beleidigt.

Doch Robin ist jemand anderes in der digitalen Welt. Fernab von Zuhause und Schule hat Robin sich über TikTok einen Namen gemacht. Mit über 30.000 Followern auf TikTok, Instagram und YouTube hat Robin sich eine zweite Persönlichkeit aufgebaut und bringt mit lustigen Videos und Memes die Leute zum Lachen, aber vor allem zum liken, kommentieren und sharen. Kennen tut Robin die meisten von den Followern nicht, aber sie geben Robin, fast könnte man sagen, eine zweite Familie. Freunde, die Robin im wahren Leben leider kaum hat, hat Robin Online zu genüge. Die Follower feiern Robin, kennen Robins Fehler nicht und beurteilen nur den Content den Robin produziert. Eine Welt, in die Robin nach und nach immer mehr eintaucht, lohnt es sich da noch in der realen Welt zu leben?

Robins größter Traum ist es, ein Social-Media Journalist zu werden. Wie der Zufall es so will, sind gerade Praktikumswochen an seiner Schule. Heute kam schon wieder eine Absage, die dritte in dieser Woche. Wie bereits angedeutet, fällt es Robin sehr schwer Texte zu lesen und zu schreiben, dementsprechend ist es für Robin eine Qual anschauliche und prägnante Anschreiben und Lebensläufe zu verfassen.  Unser*e Protagonist*in nimmt euch nun mit an den ersten Punkt unserer Reise quer durch die Welt der Digitalisierung. Wie Menschen, die als gering literarisiert bezeichnet werden an der Digitalisierung teilhaben oder gar ausgeschlossen werden.

Die verschiedenen Facetten der Literalität

Schwarz-weiß, Querformat. er Boden ist komplett mit großen Buchstaben bedruckt. Im hinteren Drittel des Bildes sind die Beine einer Person unterhalb der Knie zu sehen. Die Person trägt eine Tragetasche aus Papier.
Quelle: Hans-Jörg Aleff, 2015. flickr. Lizenz: Attribution-NonCommercial-ShareAlike 2.0 Generic (CC BY-NC-SA 2.0).
Früher wurde zwischen primärem, sekundärem und funktionalen Analphabetimsus unterschieden. Doch diese Begriffe sind stigmatisierend und erklärungsbedürftig. Der neue Begriff “geringe Literalität” soll nicht nur weniger stigmatisierend sein und die Tabuisierung des Phänomens aufbrechen, er betont auch die dominante Rolle der Schriftsprache in der Gesellschaft. Außerdem ist er anschlussfähiger an die internationale Debatte. Im Englischen wird beispielsweise von low litteracy gesprochen. Unter „gering literalisierten“ Erwachsenen versteht man demnach Personen, deren Schriftsprachkompetenzen sich unterhalb der Textebene befinden. Diese Personen können teils Wörter oder einfache Sätze lesen und schreiben, jedoch nicht – auch einfache – Texte sinnentnehmend lesen oder selbst verfassen.

Schlecht lesen und schreiben macht digital vulnerabel

Auch gering Literalisierte schreiben E-Mails, schicken regelmäßig Kurznachrichten an einzelne Personen oder Gruppen und nutzen Textverarbeitungsprogramme. Die Kluft anhand des Literalitätsmerkmals ist besonders hoch in solchen Schreibpraktiken, in denen ein gewisses Maß an sprachlicher Elaboriertheit erwartet wird. So nutzt mehr als jede*r vierte gering literalisierte Erwachsene niemals E-Mail, während es bei den Menschen ohne Schwierigkeiten nur etwa 8 Prozent sind. Auch Textverarbeitungsprogramme wie Word werden seltener genutzt. Doch beim Schreiben in Internet-Chats oder in Kurznachrichten handelt es sich vielmehr um getippte mündliche Gespräche – hier ist die Kluft zwischen gering und höher Literalisten viel geringer. Beim konzeptionell mündlichen Schreiben, wie es in der Fachliteratur heißt, steht eine unmittelbare, schnelle und effektive Kommunikation im Vordergrund und die Anforderungen an orthographische Normen und grammatische Standards sind hier deutlich geringer. Häufig wird bewusst auch anders geschrieben, um etwa möglichst effizient und schnell zu kommunizieren oder auch, um die Zugehörigkeit zu bestimmten Communitys zu dokumentieren. 

Ein hoch interessantes Ergebnis der Studie ist, dass sogar mehr gering Literalisierte mindestens einmal pro Woche eigene Beiträge in Sozialen Medien schreiben als ihre Vergleichsgruppe. Die Art und der Umfang der verfassten Texte, die grundsätzlich auch aus Emoticons, Smileys oder Likes bestehen können wurde hier jedoch nicht erhoben. Ähnlich fällt es auch bei den digitalen Lesepraktiken aus: Unter gering literalisierten Erwachsenen ist der Anteil derer, die sich regelmäßig (also mindestens einmal pro Woche) in sozialen Netzwerken informieren, höher als innerhalb der Vergleichsgruppe.

Da saß ich bei Johann in der Küche, beim Kochen. Es war 22:30 Uhr und auf einmal ruft mich eine fremde Nummer an. Ich bin rangegangen und meinte „Ja, hallo!“ – „Ja hallo, bin ich da richtig bei Lesen und Schreiben? Hallo, mein Name ist … und ich muss dir mal was erzählen“. Und dann bin ich aus der Küche raus. Dann habe ich, glaube ich, über eine Stunde mit ihm telefoniert. Essen war dann schon kalt, als ich wiederkam. Ich habe mich dann mit ihm getroffen, auf dem Penny Parkplatz, S-Bahnhof Lichtenberg und ihm erzählt, was es so gibt und dass der wichtigste Schritt schon passiert ist, dass er sich bei mir gemeldet hat und dass wir uns jetzt hier getroffen haben. Die Betroffenen leben davon, dass du sie an die Hand nimmst. Du brauchst diesen persönlichen Kontakt, sie brauchen ganz viel Vertrauen. Das ist so ein unangenehmes Thema in deren Leben, dass du ganz nah an ihnen dran sein musst. 

Das Land Berlin hat sich dem Thema mit besonders viel Engagement gewidmet. Es ist auch eine Besonderheit an Berlin. Wir sind das einzige Land in Deutschland, das in jedem Bezirk ein Alpha-Bündnis hat. Die ersten waren Spandau und Neukölln, das sind die ältesten Bündnisse, von neun oder zehn Jahren schon gegründet. Dann ist eine ganze Weile lang gar nichts passiert, aus irgendeinem Grund. Und dann sind jetzt kleckerweise alle Bezirke nachgezogen. Lichtenberg vor dreieinhalb Jahren ungefähr. Bis auf das Spandauer und Neuköllner Bündnis, die von Anfang an auch vom Bezirkshaushalt mitfinanziert sind, sind alle anderen bezirklichen Bündnisse, (Stand jetzt, ich glaube, ein oder zwei fehlen sogar, die sind grade nicht besetzt) vom Senat finanziert. Das ist eine Anschubfinanzierung gewesen, vom Senat zu sagen, wir brauchen in jedem dieser Bezirke ein Bündnis, was sich um die Vernetzung zwischen den Bildungsträgern in den Bezirken kümmert. In Spandau und Neukölln war von Anfang an auch der Bezirk mit drin, was sich einfach auf die Stunden niederschlägt. Ich habe auch nur eine zwölf Stunden Stelle. Das ist in jedem Bezirk der Fall. Zwischen acht und zwölf Stunden. In Hellersdorf ist sogar nur eine acht Stunden Stelle. Was hat man in acht Stunden die Woche für Möglichkeiten? Du kommst nicht in die Lebenswelt der Betroffenen hinein, sondern du bist ein professionelles Bündnis. Bis auf Spandau und Neukölln, die wie gesagt, von Anfang an mit 25 Stunden bezirklich verankert waren, an der VHS direkt, also an den Volkshochschulen, einfach mehr in die Lebenswelten der Betroffenen hineinwirken konnten. Wohingegen alle anderen bezirklichen Bündnisse gerade oder seit den drei, vier Jahren, seitdem sie es gibt, (Manche sind sogar erst letztes Jahr, ich glaube in Tempelhof-Schöneberg und Treptow gibt es erst seit letztem Jahr ein Bündnis) haben die Herausforderung mit ihren wenigen Stunden einfach erst mal nur daran zu arbeiten, ein Netzwerk im Bezirk aufzubauen. Ein professionelles Netzwerk für die Multiplikatoren, also für die Träger der Grundbildungslandschaft in den Bezirken. Das ist dann eines der Aufgaben von mir und allen anderen Netzwerkenkoordinatoren, ein regelmäßiges Plenumstreffen einzuberufen, Bündnispartner und -Partnerinnen an einen Tisch zu bringen und darüber zu reden: Wie sieht es aus? Wie kriegen wir es hin, an die Betroffenen heranzukommen? Wie kann man die Grundbildungsarbeit besser miteinander verzahnen? Welche Angebote gibt es im Bezirk schon? Ergänzen wir uns da irgendwo oder wo fehlen uns Ressourcen? So dass es im Grunde genommen, Stand jetzt, in 14 von 16 Bezirken das Alpha Bündnis gibt – es ist ein professionelles Bündnis für und von Grundbildungsträgern. Und dann haben wir diese zwei Sonderkandidaten Neukölln und Spandau. An den orientieren sich die anderen Bündnisse immer so ein bisschen, was über so ein Netzwerktreffen hinaus getan werden kann, geben auch eine Perspektive, wo es hingehen könnte, wenn man das mal konsequent zu Ende denkt. Helfen wir jetzt schon Betroffenen? Die wenigsten Bündnisse haben tatsächlich überhaupt schon Kontakt zu Betroffenen gehabt. 6,2 Millionen in Deutschland, 300.000 in Berlin, 30.000 ist die Dunkelziffer in jedem Bezirk eigentlich. Und in drei Jahren habe ich jetzt drei immerhin schon mal getroffen. Es ist bis jetzt noch nicht der Fall gewesen, dass jemand zu Hause sitzt, sich darüber Gedanken macht „Fuck! Ich kann nicht lesen und schreiben“ und dann einfach so mich anruft. Das kam noch nicht, sondern es war immer über die Brücke eines Trägers. Wenn du dann irgendwann an dem Punkt bist, dass du merkst, dass dich dieses Defizit so blockiert in deiner Weiterentwicklung, wenn du so verzweifelt bist. Ich glaube, die Verzweiflung muss größer sein als die Scham. Es ist ein sehr beschämendes Thema. Und solange du noch nicht so verzweifelt bist, solange du noch irgendwie klar kommst in deinem Leben, dass die Scham größer ist, solange wirst du nichts tun. Und das ist bei den allermeisten der Fall, weil das Netzwerk… Wie gesagt, der eine hat in der Bar gearbeitet, auf dem Bau. Es gibt ja viele, durchaus viele Jobs, wo du nicht lesen und schreiben können musst. Und da ist die Scham dann größer. Und ich glaube, die wächst, je älter du wirst, desto größer wird die Scham. Das heißt deine Verzweiflung muss ja sozusagen parallel mitwachsen. Und das ist ja Gott sei Dank nicht überall der Fall. Aber wenn es einen Moment in deinem Leben gibt, wo du merkst, ich bin so verzweifelt, das kann so nicht weitergehen. Scheiß drauf, dass ich nicht lesen und schreiben kann. Ich muss es jetzt jemandem erzählen – dann suchst du dir nach Hilfe. Als professionelles Netzwerk wirken wir noch nicht in die Lebenswelt der Betroffenen hinein, wir kommen noch nicht an die 30.000 ran. Viele Träger, mit denen ich zusammenarbeite, können mir mit dem Finger darauf zeigen, wo sie sind. Aber ich habe nicht die Kapazitäten dorthin zu gehen und sie mobil zu beraten oder aufsuchend zu beraten. Das heißt, da ist einfach ein strukturelles Loch noch da. Da brauchen wir Ressourcen, da fehlen uns Kapazitäten, genau das wahrzunehmen und sich mit Betroffenen zu treffen und sie an die Hand zu nehmen, weil es so ein beschämendes Thema ist. Dass wenn sie sich überhaupt mal dazu durchringen, dich zu kontaktieren, wenn dann niemand sie an die Hand nimmt, sondern wenn du dann sagst „Ja, da muss du nächste Woche bis S-Bahnhof Hohenschönhausen und dann noch mal irgendwie…“, das kannst du komplett vergessen. Du musst dich mit den Leuten treffen, du musst sie an die Hand nehmen, du musst mit ihnen dahinlaufen, die müssen einmal den Weg abgelaufen sein. Das hat schon mehr Öffentlichkeit auf jeden Fall bekommen, aber noch bei weitem nicht so, dass Betroffene das Gefühl bekommen: „Ich kann mich damit outen. Das ist wirklich in der Gesellschaft angekommen und dafür werde ich nicht mehr ausgelacht. Es ist ein Thema, was die Politik erkannt hat und die uns da helfen will“. Davon sind wir, glaube ich, noch lange entfernt.

Die Situation in Berlin: Ein strukturelles Loch

Die Zahl von 6,2 Millionen gering literalisierter Erwachsener deutschlandweit wurde in der LEO-Studie 2018 von einer kleineren Stichprobe auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet. So ist diesen wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge jede achte Erwachsene davon betroffen. In jedem Berliner Bezirk dann in etwa 30.000 Menschen. In Berlin gibt es zwei Vereine, die bereits seit mehr als 40 Jahren Alphabetisierungskurse für Erwachsene anbieten: Arbeitskreis Orientierungs- und Bildungshilfe e.V. und Lesen und Schreiben e.V., die von der Senatsverwaltung gefördert werden. Im Jahr 2014 wurde eine zentrale Anlaufstelle für Information, Beratung und Vernetzung, das Grund-Bildungs-Zentrums Berlin, gegründet und wird vom Senat vollfinanziert. Hier werden Personen, die aufgrund ihres Amtes oder ihrer Tätigkeit direkt mit der Zielgruppe im Kunden-, Besucher-, Klienten-, Patientenverkehr in Kontakt kommen für das Thema sensibilisiert. Eine eigene  Senatsstrategie “Alphabetisierung und Grundbildung – Grundbildung fördern – Teilhabe stärken” (2015 – 2018) hatte nicht nur das Ziel Lernangebote auszubauen, sondern gleichzeitig die öffentlichen Einrichtungen und die Öffentlichkeit für die Betroffenen und ihre Bedürfnisse zu sensibilisieren. Seit 2017 fördert der Senat außerdem die bezirklichen Alpha-Bündnisse, die der lokalen Vernetzung von Beratungsstellen, bürgernahen Ämtern und Behörden sowie Einrichtungen mit Bürgerkontakten auf der bezirklichen Ebene dienen. Zu den weiteren Maßnahmen zählen Fortbildungen für Lehrkräfte in der Alphabetisierung und viele mehr. Dass das Land Berlin sich dem Thema verschließe oder gar untätig bleibe, wäre gänzlich verfehlt zu sagen. Die Bilanz bleibt bisher jedoch verhalten: Die Teilnahme von gering Literalisierten an Lernangeboten zur Alphabetisierung und Grundbildung bleibt auch nach 5 Jahren verhältnismäßig gering. Die zentrale Herausforderung ist und bleibt das Erreichen der eigentlichen Zielgruppe. Hält die nur schwer zu unüberwindbare Scham die Betroffenen davon ab, die zahlreichen Angebote wahrzunehmen? Oder liegt es eher daran, dass die für sie zentrale Themen wie Migration und Armut nicht direkt angesprochen werden und die Angebote letztlich an der eigentlichen Lebenswelt der Betroffenen vorbeizielen? Im weiteren Ausbau von 2021 bis 2027 plant der Senat nun, die soziale Integration von gering literalisierten Erwachsenen und deren gesellschaftliche Teilhabe mehr in den Blick zu dasnehmen. Ob diese Maßnahmen etwas in Richtung von Armutsprävention von Betroffenen bewirken können, wird sich zeigen. 

Und was ist mit Robin? 

Über gering literalisierte Kinder oder Jugendliche liegen kaum Daten vor. So beschäftigt sich die LEO-Studie ausschließlich mit Erwachsenen im Alter zwischen 18 und 64 Jahren, sodass nicht bekannt, wie viele Jugendliche zum Zeitpunkt des Schulabschlusses Schwierigkeiten mit Lesen und Schreiben haben. Organisationen wie das Alphabündnis, die sich für gering literarisierte Erwachsene eingesetzt haben, haben keinen offiziellen Auftrag für Minderjährige. Für Minderjährige bzw. Kinder ab 6 Jahren gilt bis zum Abschluss der neunten oder zehnten Klasse (je nach Bundesland) eine Vollzeitschulpflicht. Daran schließt sich die Berufsschulpflicht an, die Minderjährige dazu verpflichtet, weitere zwei Jahre die Oberstufe zu besuchen oder an einer berufsschulischen Ausbildung teilzunehmen. Innerhalb dieser Zeit soll garantiert werden, dass die Schüler Grundfähigkeiten des Lesens und Schreibens erlernen. Dennoch gibt es viele Minderjährige, die durch das Raster fallen.

So betrifft die allgemeine Schulpflicht nicht alle Kinder: in Bundesländern wie Sachsen und Sachsen-Anhalt wird Flüchtlingskindern zwar ein Schulrecht garantiert, es besteht jedoch keine Schulpflicht. Gleiches gilt teilweise für statuslose Kinder, die sich illegal in Deutschland aufhalten.[1] Eben diese Kinder sind somit oftmals mehrfach gefährdet. Sie haben meistens die größten Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache und haben zudem kein Elternhaus, welches ihnen die Sprache vermitteln könnte. Und ausgerechnet für diese Kinder gilt keine Schulpflicht.

Trotz der vielen schulischen Angebote und dem zumindest für alle geltenden Schulrecht sind rund 750.000 der deutsch sprechenden 18 bis 25 Jahre alten Menschen gering literarisiert.[2] Eine Gruppe von Menschen, die eigentlich lesen und schreiben in der Schule gelernt haben sollten und die sich durch eine Welt der Buchstaben, Texte und deren Notwendigkeit kämpfen müssen. Und dennoch lassen sich die Schulen und ihre Lehrmethoden als mangelhaft bewerten. Nicht nur bei denjenigen, die durch das Raster fallen, sondern auch Kindern wie Robin versagt das Schulsystem. Die LEO Studie 2018 lässt erkennen, dass längst nicht nur diejenigen deutschsprachigen Erwachsen gering literarisiert sind, die Deutsch nicht als Muttersprache sprechen, sondern sogar 52,6% davon einen deutschen Sprachhintergrund haben.[3] Dieses Phänomen lässt nicht nur an der Rechtslage zweifeln, sondern an der allgemeinen Effektivität des Schulsystems.

Die Punkte sind bestimmten Kompetenzstufen zugeordnet. Eine Steigerung der Punktzahl geht grundsätzlich mit einer Steigerung der Lesekompetenz einher.

Schüler*innen der Kompetenz Stufe 1b (262–334 Punkte) sind in der Lage in einem kurzen, syntaktisch einfachen Text aus einem gewohnten Kontext, dessen Form vertraut ist (z.B. in einer einfachen Liste oder Erzählung), eine einzige, explizit ausgedrückte Information lokalisieren, die leicht sichtbar ist. Der Text enthält in der Regel Hilfestellungen für den Leser, wie Wiederholungen, Bilder oder bekannte Symbole. Es gibt kaum konkurrierende Informationen. Bei anderen Aufgaben dieser Kompetenzstufe müssen einfache Zusammenhänge zwischen benachbarten Informationsteilen hergestellt werden.

Schüler*innen der Kompetenzstufe 1a (335–407 Punkte) können in einem Text zu einem vertrauten Thema eine oder mehrere unabhängige, explizit ausgedrückte Informationen lokalisieren, das Hauptthema oder die Absicht des Autors erkennen oder einen einfachen Zusammenhang zwischen den im Text enthaltenen Informationen und allgemeinem Alltagswissen herstellen. Die erforderlichen Informationen sind in der Regel leicht sichtbar, und es sind nur wenige beziehungsweise keine konkurrierenden Informationen vorhanden. Der Leser wird explizit auf die entscheidenden Elemente in der Aufgabe und im Text hingewiesen

Schüler*innen der Kompetenzstufe 2 (408–479 Punkte) können innerhalb eines Textabschnitts logischen und linguistischen Verknüpfungen folgen, mit dem Ziel, Informationen im Text zu lokalisieren oder zu interpretieren; im Text oder über Textabschnitte verteilte Informationen aufeinander beziehen, um die Absicht des Autors zu erschließen. Bei Aufgaben dieser Stufe müssen unter Umständen auf der Grundlage eines einzigen Textbestandteils Vergleiche und Gegenüberstellungen vorgenommen werden oder es müssen, ausgehend von eigenen Erfahrungen oder Standpunkten, Vergleiche angestellt oder Zusammenhänge zwischen dem Text und nicht im Text enthaltenen Informationen erkannt werden

Schüler*innen der Kompetenzstufe 3 (480–552 Punkte) können vorhandenes Wissen über die Organisation und den Aufbau von Texten nutzen, implizite oder explizite logische Relationen (z.B. Ursache-Wirkungs-Beziehungen) über mehrere Sätze oder Textabschnitte erkennen, mit dem Ziel, Informationen im Text zu lokalisieren, zu interpretieren und zu bewerten. Einige Aufgaben verlangen vom Leser/von der Leserin, einen Zusammenhang zu begreifen oder die Bedeutung eines Wortes oder Satzes zu analysieren. Häufig sind die benötigten Informationen dabei nicht leicht sichtbar oder Passagen des Textes laufen eigenen Erwartungen zuwider.

Schüler*innen der Kompetenzstufe 4 (553–625 Punkte) sind fähig linguistischen oder thematischen Verknüpfungen in einem Text über mehrere Abschnitte zu folgen, oftmals ohne Verfügbarkeit eindeutiger Kennzeichen im Text, um eingebettete Informationen zu finden, zu interpretieren und zu bewerten oder um psychologische oder philosophische Bedeutungen zu erschließen. Insgesamt muss ein genaues Verständnis langer oder komplexer Texte, deren Inhalt oder Form ungewohnt sein kann, unter Beweis gestellt werden.

Schüler*innen der Kompetenzstufe 5 (626–697 Punkte) können sowohl mehrere tief eingebettete Informationen finden, ordnen und herausfinden, welche davon jeweils relevant sind, als auch ausgehend von Fachwissen eine kritische Beurteilung oder Hypothese anstellen. Die Aufgaben dieser Stufe setzen in der Regel ein volles und detailliertes Verständnis von Texten voraus, deren Inhalt oder Form ungewohnt ist. Zudem muss mit Konzepten umgegangen werden können, die im Gegensatz zum Erwarteten stehen.

Schüler*innen der Kompetenzstufe 6 (über 698 Punkten) können Schlussfolgerungen, Vergleiche und Gegenüberstellungen detailgenau und präzise anstellen. Dabei entwickeln sie ein volles und detailliertes Verständnis eines oder mehrerer Texte und verbinden dabei unter Umständen gedanklich Informationen aus mehreren Texten miteinander. Hierbei kann auch die Auseinandersetzung mit ungewohnten Ideen gefordert sein, genauso wie der kompetente Umgang mit konkurrierenden Informationen und abstrakten Interpretationskategorien sowie hohe Präzision im Umgang mit zum Teil unauffälligen Textdetails.

(Quelle: PISA Studie 2009)

Und wie sieht es mit der Ungleichheit aus?

Ähnliches zeigt auch die Analyse der PISA Studien aus dem Zeitraum 2000 bis 2018. Hier wurde neben der reinen Bewertung der Kompetenz von Schülern in Mathe, Naturwissenschaften und Lesen auch die Streuung bzw. Ungleichheit der Kompetenz zwischen den Schülern ermittelt. Als Maß der Ungleichheit wird die Standardabweichung der Bewertung genutzt. Das deutsche Schulsystem schneidet auch hier schlecht im Vergleich zum Durchschnitt der OECD-Staaten schlecht ab. Die Kompetenzbewertung Deutschlands zeigt in den meisten Jahren des Untersuchungszeitraums eine überdurchschnittliche hohe Ungleichheit, gemittelt über alle Jahre und Kompetenz sogar um 5%.[4] Aus den Studien lässt sich auch entnehmen, dass sich die schulische Kompetenz stark regional variiert. 

All das zeichnet ein erschütterndes Bild. Ist das föderalistische Schulsystem noch eine zukunftsfähiges Lösung? Sorgt die Ungleichheit des Bildungsrecht und des Unterrichts nicht nur für weitere soziale Ungleichheit? Robin fühlt sich vernachlässigt, kommt nicht mit dem Unterricht mit und wird von der restlichen Klasse abgehängt.

Und dann kam das Homeschooling – ein Sprung ins kalte Wasser durch die Corona-Pandemie

Ein Kind im Alter von etwa 4 Jahren sitzt vor einem Laptop und fasst sich mit beiden Händen an den Kopf.
Quelle: Tired girl using laptop at home by Nenad Stojkovic, 21. August 2021. flickr. Lizenz: Attribution 2.0 Generic (CC BY 2.0).

Die Grundlage

Im Jahr 2018 wurde eine Pisa-Studie veröffentlicht, welche neben dem Vergleich, der Kompetenzen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften auch die digitalen Ressourcen der OECD-Länder verglichen hatte. Verglichen wurden in der Studie sowohl der Zugang zu digitalen Online-Plattformen, die Ausstattung von digitalen Endgeräten und der Weiterbildungsstand der Lehrkräfte im Hinblick digitaler Konzepte. So hatten zum Zeitpunkt der Erhebung 33 Prozent der Schüler*innen in Deutschland Zugang zu einer digitalen Online-Plattform. Hingegen sind es im OECD-Durchschnitt mehr als 54 Prozent. Im Schnitt hatten nur 61 von 100 Schüler*innen in Deutschland einen Computer oder Laptop. Unterdessen im OECD-Durchschnitt 85 von 100 Schüler*innen digitale Endgeräte besitzen. Und auch im dritten Vergleichsparameter fallen die Werte der Weiterbildungen deutscher Lehrkräfte bezüglich digitaler Konzepte im OECD-Vergleich unterdurchschnittlich aus.

Dass es dieses Defizit aufzuholen gilt, ist auch der Regierung (damals große Koalition) nicht missfallen und beschloss deshalb im Folgejahr den DigitalPakt Schule, womit durch sogenannte Digitalinfrastrukturfonds, die Ressourcen unter anderem einer stabilen Internet-Verbindung, einer adäquaten Geräteausstattung und der Qualifizierung der Lehrer*innen an jeder Schule flächendeckend ausgebaut werden sollen. Denn unumstritten ist, digitale Konzepte können und sollen einen modernen Unterricht unterstützen und ihn besser machen. In Zeiten in denen es unumgänglich in der späteren Berufswelt ist, den digitalen Standards vertraut zu sein, muss dies auch schon in der Bildung verankert werden. Kinder und Jugendliche mit psychischen Vorerkrankungen erleben so durch die Pandemie und dem Homeschooling einen noch höheren Leidensdruck. Es hakt hier an vielen Ecken: Zum einen sollen die Anträge zu aufwendig und bürokratisch sein, Planungsprozesse hätten mit der Krisensituation um die Pandemie zurückgestellt werden müssen, es seien nicht genügend Breitbandanschlüsse zur Verfügung und auch Firmen für den Netzausbau gäbe es zu wenig für die aufkommenden Arbeiten.

Auf los geht’s los

Zu Beginn der Pandemie hatte Robin ein funktionsfähiges Smartphone, in der Familie gab es allerdings nur einen Laptop, welcher gemeinschaftlich genutzt wurde. Also war es mit dem Beginn des Homeschoolings zunächst schwierig dies überhaupt technisch umsetzen zu können. Durch die dann eingerichteten Corona-Sondermittel von Bund und Ländern bekam auch Robin nach einer gewissen Zeit einen Laptop mit dem er/sie zumindest in der Theorie am digitalen Unterricht teilnehmen konnte.

Die Lerndefizite und schulischen Leistungen während der Corona-Pandemie

Robin hatte große Schwierigkeiten während dem Homeschooling am Ball zu bleiben. Unser*e Protagonist*in schaffte lediglich die Mindestanforderungen der Aufgaben, welches ein Merkmal des Alpha-Levels 3 ist, bekam dennoch schlechtere Noten und kaum Unterstützungsangebote der Lehrer*innen, geschweige denn der Eltern. Robins Frust darüber wuchs immer weiter, weshalb Robin nun noch mehr Zeit mit TikTok und Co. verbrachte. Trotz der immensen Kraftanstrengungen der Lehrer*innen, der Schüler*innen und Eltern, traten erhebliche Lerndefizite der Schüler*innen auf. Um dies evident analysieren zu können, führte das Münchener Ifo-Institut 2020 eine Studie durch, welche ein realistischeres Bild der Situation schaffen sollte. Denn betrachtet man lediglich die Zeugnisse und Prüfungen der Schüler*innen, können diese aufgrund der geänderten Umstände nicht als Vergleichsparameter genutzt werden. So sind zum Beispiel die Abiturnoten im Jahr 2020 überdurchschnittlich besser ausgefallen. Das Ifo-Institut setzte deshalb zum Beispiel an der Lernzeit an, die den Schüler*innen durch das Homeschooling verloren gegangen ist. Hierfür befragten sie bundesweit mehr als 1.000 Eltern. So ging daraus hervor, dass die durchschnittliche Zeit, die die Schüler*innen mit Hausaufgaben machen, Video-Unterricht oder Arbeitsblätter bearbeiten während der Corona-Krise von 7,4 Stunden auf 3,6 Stunden am Tag mehr als halbiert wurde. Hingegen der Zeit am Handy, vor dem Fernseher oder Computer von 4 auf 5,2 Stunden am Tag gestiegen ist.[1] Auf der anderen Seite, sind dennoch 49 Prozent der Befragten Eltern, der Meinung, dass die Schulschließungen richtig waren.

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Vater und Kind beim Homeschooling. Quelle: Unsplash Lizenz: Free to use under the Unsplash License

Die psychische Belastung

Neben dem Auftreten der großen Lerndefizite bei Schüler*innen, werden auch die aufkommenden psychologischen Folgen für Schüler*innen immer deutlicher. Nicht zuletzt als Mitte 2020 eine Forsa-Umfrage bezüglich des Homeschoolings in Corona-Zeiten veröffentlicht wurde. Für die Umfrage wurden im Auftrag der DAK-Gesundheit etwa 1.000 Erwachsene und jeweils ein zugehöriges Kind im Alter von 10-17 Jahren nach ihren Erfahrungen mit dem Homeschooling in der Corona-Pandemie und ihren Auswirkungen auf ihr psychisches und körperliches Befinden befragt. Hierbei kam heraus, dass fast jede/r dritte Heranwachsende psychisch an den Folgen der Schulschließungen leidet. Diesen Kindern und Jugendlichen gehe es zum einen deutlich schlechter als vor den Schulschließungen, sie fühlten sich oft gestresst und ein Teil berichtete davon, sehr oft traurig gewesen zu sein. Aufgrund des Wegbrechen des gewohnten Alltags, der Kontakte und der Austausch mit Gleichaltrigen, sowie sportlicher Betätigung stellt dies eine enorme Belastung für die Kinder und Jugendlichen dar.[2] Darüber hinaus ist auch der Anteil der Kinder mit psychosomatischen Beschwerden gestiegen. Hierbei geht aus der Forsa-Umfrage hervor, dass 22 Prozent der Kinder und Jugendlichen unter Schlafproblemen und 11 Prozent unter Bauch- und Kopfschmerzen leiden. Dies ist besonders problematisch, da bei Erhalt der Schulschließungen und Maßnahmen, die psychosomatischen Beschwerden chronifiziert werden können. Zudem wird deutlich, dass vor allem jüngere Kinder deutlich schwerer belastet sind. Des Weiteren wies der Psychologe Prof. Dr. Julian Schmitz im Interview mit idw darauf hin: „Psychische Belastungen wie Depressionen, Angststörungen, aber auch expansive Verhaltensstörungen haben sehr deutlich zugenommen – sowohl in Deutschland, als auch international“ und „sozialer Austausch und Gleichaltrige sind besonders für die soziale Entwicklung von Kindern unerlässlich.“ Ähnliche Studien aus der Schweiz (Der Covid-19 Monitor – Die vielfältigen Auswirkungen der Pandemie auf die Bevölkerung, unter der ZHAW und UZH unter der Leitung von Dr. Maic Hoglinger Hrsg. 28.01.2021) bestätigen diese Zahlen. Des Weiteren fordert auch die Bundes Psychotherapeuten Kammer mehr Behandlungsplätze für Kinder und Jugendliche, um den gestiegenen Beratungsbedarf bewerkstelligen zu können. Allerdings gilt es auch zu unterscheiden, dass die psychologischen Folgen des Homeschoolings, fernab von der familiären Situation, für jede Schüler*in individuell und charakterabhängig sein können. So sind laut Kinder- und Jugendtherapeutin Shirin Sobhani im Interview mit Watson.de vor allem Schüler*innen mit schwacher Selbstorganisation, ADS, ADHS, Jugendliche mit Neigung zur Lethargie und Antriebsschwäche, sowie Charaktere mit wenigen Hobbys und starker Temperamente mit fehlender Flexibilität,  stark negativ belastet. Kinder und Jugendliche mit psychischen Vorerkrankungen erleben so durch die Pandemie und dem Homeschooling einen noch höheren Leidensdruck. Charaktere die auch schon vor der Pandemie Hingegen gibt es auch Schüler*innen, die von den Schulschließungen „profitierten“: Besonders introvertierte Schüler*innen, oder Schüler*innen die zu sozialer Ängstlichkeit oder generalisierter Angst neigen, sehen ihr Zuhause als Ort der Sicherheit und des Wohlbefindens an. Allerdings stellt es sich deshalb auch für diese Schüler*innen als großes Problem dar, wieder in die Schule zurückzukehren, weshalb auch hier psychologische Hilfe enorm wichtig sei. Aber auch der reine digitale Unterricht nimmt Einfluss auf die Schüler*innen: So erläuterte Frau Shirin Sobhani „Für manche hatte die verzerrte Wahrnehmung ihres Gesichtes über die Video-Plattform einen negativen Einfluss auf ihr Selbstbild. Die ohnehin schon kritische Selbstbetrachtung im Rahmen pubertärer Entwicklungen erhielt hier besondere Relevanz und nahm in manchen Fällen ein überzogenes Ausmaß an, man nennt das Zoom-Dysmorphie.“ Robin sah sich in einer schwierigen psychischen zwiegespaltenen Haltung: Zum einen war Robin zunächst erleichtert, durch den Distanzunterricht den Mitschüler*innen mehr aus dem Weg gehen zu können und sich somit zumindest etwas von den Mobbingattacken distanzieren zu können. Durch die Mobbingattacken und die fortwährende und dauernde Scham, aufgrund der Problematik des Literarität, war die Schule für Robin schon lange ein angsterfüllter Ort. Nichtsdestotrotz merkte auch Robin im Verlauf der Zeit, dass das Wegbrechen der Struktur und des Kontakts mit Gleichaltrigen immer härter zu spüren ist, und auch die Zeit auf social media das Aufkommen der Einsamkeit nicht mildern kann.

So und nie wieder!

Viele der Eltern und Lehrer*innen ist ein großer Dank bezüglich ihres dagewesen Engagements entgegenzubringen, trotzdem hat die Krisensituation gezeigt, dass ein reiner Distanzunterricht, die Schule, in ihrer physischen Gestalt zwischen Schüler*innen und Schüler*innen, sowie Schüler*innen und Lehrer*innen nicht ersetzen kann. Digitale Konzepte, Endgeräte und Lernplattformen werden in der Zukunft unabdingbar sein, den Unterricht unterstützen und verbessern. Dennoch sollten wir als Gesellschaft mehr denn je, die Schule als ihren Wert für die soziale Entwicklung unserer Kinder anerkennen und dies zu schützen wissen.

Soziale Medien & Jugendliche

Whats App, Instagram und Co.

Robin, in der Klasse still, aber auf TikTok laut. Schon ab dem 10. Lebensalter sind Kinder in den Sozialen Medien unterwegs. Plattformen wie Whats App, Instagram oder Tiktok erfreuen sich großer Beliebtheit bei den Minderjährigen. Zwar sind jene Netzwerke erst ab 14 beziehungsweise 16 Jahren freigegeben, jedoch sind diese Altersbeschränkungen leicht zu umgehen. Laut einer von Statista veröffentlichte Studie aus dem Jahr 2019 ist WhatsApp unter den Kindern und Jugendlichen das mit Abstand am meisten genutzte soziale Netzwerk. Der Nutzeranteil liegt bei den 14- bis 15-Jährigen bei 95 Prozent. Dicht gefolgt von Instagram mit satten 70 Prozent. Auch Snapchat liegt bei den Teenagern hoch im Kurs, ganze 52 Prozent nutzen die Plattform auf der man rund um die Uhr Kurzvideos schauen oder Bilder uploaden kann.

Jugendliche suchen Bestätigung

Ähnlich wie Robin, suchen fast alle Jugendliche mit dem Beginn der Pubertät Anerkennung und Zugehörigkeit. Ihr Leben ist geprägt von sich stetig verändernden Selbstbildern und Stereotypen. Die Suche nach der eigenen Identität ist oft mit Unsicherheiten und dem Wunsch nach Bestätigung verbunden – insbesondere durch ihre sogenannten „Peer-Group“, ihrer sozial-jugendlichen Bezugsgruppe.

Hier kommen die sozialen Netzwerke ins Spiel. Laut Experten bieten jene Plattformen als digitales soziales Experiment für die Kinder und Jugendliche. Wenn unser Charakter Robin ein Bild auf Instagram oder ein Kurzvideo auf Tiktok teilt, so geschieht dies auf Grundlage des Wunsches, Akzeptanz in Form von Kommentaren oder Likes zu generieren. Gerade für Jugendliche die im realen Leben eher schüchtern und zurückhaltend sind, so auch Robin, können sich so auf  Social Media ungehemmter ausdrücken. Denn ein Bild mit wenigen Likes oder gar Hate-Speech kann sofort gelöscht werden.

Drei Jugendliche mit Smartphones.
Drei Jugendliche mit Smartphones. Quelle: Lizenz: CC BY-SA 2.0.

Vermehrte psychische Probleme

Dies ist auch der Grund, warum sich Kinder und Jugendliche immer öfters aus dem realen Leben zurückziehen und in[WK5] die scheinbar perfekte digitale Welt hineintauchen. Als Resultat ist bei den Jugendlichen ein höheres Aufkommen von psychischen Problemen zu notieren. Durch die Nutzung von sozialen Netzwerken klagen Jugendliche oft über Schlafstörungen, Cybermobbing und Angstzustände. 

Wenn Jugendliche andere Gleichaltrige, mit ihren vielen Freunden auf tollen Partys, mit dem scheinbar makellosen Look sehen, führt das zu einem Gefühl des „Missing out“. Dies kann zu einem kontinuierlichen Vergleich mit sich selbst und den gezeigten Bildern führen, was früher oder später das Selbstbewusstsein- und Bild[WK6]  der jungen Menschen negativ beeinflusst. Ein anderer Faktor ist das Thema Cyberbulling. Wie viele andere hat auch unser fiktiver Charakter Robin Mobbing-Attacken erfahren müssen. Dies kann auf Whats App von Bekannten aus der realen Welt geschehen, aber auch auf Snapchat von fremden Menschen. Gerade diese zwei Instant-Messaging Apps machen es möglich, Gerüchte und „Hatespeech“ schnell und effektiv zu verbreiten. Die Folgeschäden solcher Attacken werden von den Jugendlichen oft bis in das erwachsenen Alter hineingetragen.

Und hier endet unsere Reise der Digitalisierung mit Robin. Angefangen hat sie mit der Literalität unter Erwachsenen und Jugendlichen im digitalen Zeitalter bis hin zu den Folgen des Home-Schoolings und der herausragenden Rolle von Social-Media unter den Jugendlichen. Digitalisierung, doch eher Fluch als Segen? Robin findet, dass in einer rasant fortschreitende digitalisierten Welt, keine gesellschaftlichen Gruppen ausgeschlossen werden dürfen, sondern die Digitaliserung dafür genutzt werden sollte, eine universelle Teilhabe zu ermöglichen. Nun ist es Aufgabe der Politik, die Kursrichtung für neue Rahmenbedingungen zu setzen, um dieses Vorhaben zu ermöglichen.