Stand: 07.03.2019 | Von: Hanna van Mark, Marica Gehlfuß, Olivia Lehmann

#wegmit219a #keinekompromisse
Instagram gehört vor Allem seit Anfang 2018 zu einem der Schauplätze, auf dem Menschen begonnen haben über das Thema Abtreibung zu diskutieren und einen klaren Standpunkt zu beziehen. Pro Choice, eine Bewegung, die sich für die Selbstbestimmungsrechte von Frauen einsetzt, startete letztes Jahr eine Fotoaktion, bei der der Mund mittels zweier Klebebandstreifen versiegelt wurde. Eine starke Geste, die für Aufsehen sorgte und nun wieder häufig gerepostet wird. Auf den Klebebändern befindet sich mitunter der Schriftzug „Weg mit §219a“. Die Forderung nach einer Gesetzesänderung wird spürbar lauter. Doch wie sieht die gegenwärtige Rechtslage in Deutschland aus und welche Fronten treffen bei diesem Konflikt aufeinander?

womanofheartandmind

„Statt Paragraph 219a zu streichen, der das Informationsrecht von Frauen negiert, indem er „Werbung“ für Abtreibung unter Strafe stellt, als ginge es darum, überall bunte Plakate aufzuhängen, auf denen ach so schöne Bilder der Prozedur zu sehen sind, die dazu führen, dass auch jede nicht-schwangere Frau Lust bekommt auch mal so richtig abzutreiben, (…) bleibt letztlich alles wie es ist.“
Datum: 13.12.2018

sophiahembeck

„Für Frauen die selbst bestimmen dürfen, ob sie einen Schwangerschaftsabbruch durchführen wollen und denen Informationen nicht vorenthalten werden um dies tun zu können. Es wird Zeit.“
Datum: 21.02.2018

gehraven

„(…) für mehr sexuelle selbstbestimmung – informationen zum schwangerschaftsabbruch müssen entkriminalisiert werden! (…)“
Datum: 15.02.2018

Die Gynäkologin Kristina Hänel wurde im November 2017 aufgrund des §219a wegen Informationsfreigabe bezüglich Schwangerschaftsabbrüchen auf ihrer Webseite zu einer Strafe von 6.000 € verurteilt.

Auch wenn es im Grundgesetz verankert ist, dass „jede Bundesbürgerin und jeder Bundesbürger […] das Recht auf Information [hat].“, gibt es paradoxerweise auch den §219a, der den Ärzt*innen verbietet, für Abtreibung Werbung zu machen. Werbung bedeutet in diesem Fall, dass Arztpraxen auf öffentlich zugänglichen Internetseiten deutlich machen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. So stand auf der Website von Kristina Hänel ausschließlich, dass Schwangerschaftsabbrüche zum Leistungsspektrum der Praxis zählen. Nur auf Anfrage bekam man eine Broschüre, die über die gesetzlichen Regelungen über einen Schwangerschaftsabbruch informierten, den Unterschied zwischen medikamentöser und chirurgischer Behandlung erklärten, sowie Nebenwirkungen nannten.

Kristina Hänel sammelte mehr als 150.000 Unterschriften für die Abschaffung des Paragraphen und reichte die Petition am 12. Dezember 2017 im Bundestag ein. Zu diesem Zeitpunkt ging sie davon aus, dass der §219a in seiner jetzigen Form nicht mehr lange weiter bestehen wird, da er Frauen den Informationszugang zum Thema Abtreibung erheblich erschwert, jedoch jeder das Recht haben sollte sich zu erkundigen.

Doch erst jetzt – mehr als ein Jahr später – scheint die Politik zu reagieren. In Zusammenarbeit mit der Union haben SPD-Verhandler*innen es kürzlich geschafft, eine Lockerung des „Werbeverbots“ zu erwirken. Nach der Abstimmung am 21.02.2019 im Bundestag soll der §219a nun reformiert werden: Auf Webseiten von Ärzt*innen und Krankenhäusern darf stehen, dass Abbrüche gemacht werden, für weitere Informationen muss jedoch auf Behörden, Beratungsstellen und Ärztkammern verwiesen werden.

Die Lockerung stellt einen Fortschritt dar, jener ist im Zuge der jahrelangen und stringenten Forderungen der Abschaffung des Paragraphen jedoch lediglich ein minimaler. Zukünftig soll trotzdem für die „Nicht-Kommerzialisierung“ garantiert werden und der „Verharmlosung“ von Schwangerschaftsabbrüchen entgegengewirkt werden

Der pharmazeutische Markt bietet allerlei Möglichkeiten, um sich vor einer Schwangerschaft zu schützen. Gründe, warum diese Branche zu einem festen Bestandteil des Lebens geworden ist, werden wohl fast ausnahmslos jedem einfallen. Pille & Co. bewahren das Recht auf Selbstbestimmung. Umso normaler es ist, eine Empfängnis zu verhindern, desto rabiater scheint der Aufschrei, wenn eine Schwangerschaft wieder abgebrochen wird. Genauso absichtlich, wie viele Frauen eine Schwangerschaft verhindern wollen, kann es auch vorkommen, dass eine vorzeitige Beendigung der Schwangerschaft gewünscht wird.

„Ich empfinde die Rechtslage in Deutschland als ausgesprochene Zumutung. Das soll nicht in Abrede stellen, dass es nicht auch Länder inner- und außerhalb Europas gibt, in denen die Lage für Frauen, die einen Schwangerschafts-Abbruch durchführen lassen wollen, noch repressiver ist. Nichtsdestotrotz wirkt es auf mich geradezu bizarr, dass so etwas wie ein medizinischer Eingriff, den der Gesetzgeber zunächst aus einer moralisch neutralen, wissenschaftlichen Perspektive betrachten sollte, in einem modernen, demokratischen Staat wie Deutschland unter Strafe gestellt und die Durchführung nur unter Einhaltung bestimmter strafrechtlicher Auflagen geschehen kann. Diese juristische Haltung erzeugt enormen Druck für betroffene Frauen, deren Angehörige sowie Ärzte und Ärztinnen.“

Die heute 29-jährige Interviewpartnerin blickt zurück auf ihre Abtreibung vor 5 Jahren. Im Gespräch berichtet sie über ihre persönlichen Erfahrungen, spricht über aktuelle Missstände und erklärt, warum sie in die Niederlanden reiste, um die Abtreibung durchzuführen. Hier geht es zum ganzen Interview.

Was ganz klar aus dem Interview zu entnehmen ist, ist der Wunsch nach einer Enttabuisierung von Abtreibungen. „Der Gesetzgeber möchte [jedoch] nicht, dass über den Schwangerschaftsabbruch in der Öffentlichkeit diskutiert wird, als sei es eine normale Sache“. – so die Begründung des Urteils der vorsitzenden Richterin im Fall Kristina Hänel. Die Bezeichnung „normal“ bezieht sich meist auf etwas, das durchschnittlich oder alltäglich ist. Alltägliches, das oft mit bedeutungslos gleichgesetzt wird oder auf Selbstverständlichkeit hinweist, die einfach hingenommen wird. Wenn man sich die Zahlen vergegenwärtigt, sieht man, dass weltweit täglich zahlreiche legale und illegale Abtreibungen durchgeführt werden. Unter diesen Umständen wird deutlich, dass über diese Thematik geredet und diskutiert werden sollte, beziehungsweise muss, da sie so viele Menschen betrifft.

Pro Jahr gibt es weltweit insgesamt 80 Millionen ungewollte Schwangerschaften, von denen 45 Millionen abgebrochen werden. Die Hälfte aller durchgeführten Abtreibungen gelten als unsicher, weswegen 68.000 Frauen bei dem Eingriff sterben. Viele weitere Millionen wurden durch die Abtreibung verletzt oder tragen dauerhafte Behinderungen davon fort. Die WHO differenziert zwischen weniger sicher und am wenigsten sicher. Ersteres beschreibt die Durchführung mit veralteten Methoden, zweiteres den Eingriff durch eine untrainierte Personen mit gefährlichen Methoden.

Ich bin frei in der Entscheidung, ob ich mich einem medizinischen Eingriff aus gesundheitlichen Gründen unterziehen will. Analog hierzu die drastische Entscheidung zur Sterilisation. Es würde sich bei all diesen Eingriffen um meinen eigenen Körper handeln. Dieser Status Quo verändert sich allerdings wenn man schwanger ist: aus einem Lebewesen werden zwei. Oder nicht? Das richtige Wording ist hier maßgeblich für die weitere Auseinandersetzung mit der Abtreibungsdebatte.

Vertreter der Gegenfront von Abtreibungen, selbsternannte Lebensschützer, setzen hier an. Die Frau und das ungeborene Kind werden zu zwei Individuen. Folglich finden Abtreibungsgegner ihre Berufung darin, ein Lebewesen zu schützen, das noch nicht für sich selbst einstehen kann. Es findet somit eine klare Abgrenzung des Ungeborenen zur Mutter statt. Zu dem Zeitpunkt der Geburt, sowie die Jahre danach wäre das Kind jedoch nicht in der Lage alleine zu überleben. Deswegen sollte sich hier die Frage gestellt werden, ob Mutter und Kind gedanklich und physisch voneinander überhaupt zu trennen sind. Für Abtreibungsgegner hat das Überleben des Fötus mehr Gewichtung als der Wille der schwangeren Frau.

Wenn man einen Blick auf die Internetseiten der Abtreibungs-Gegner wirft, entdeckt man beim Bundesverband für Lebensrecht einen Aufschrei nach Aufklärung. Diese Auskunft soll nach den Abtreibungsgegnern jedoch einseitig vollzogen werden. Informationen für ein Leben mit Kind, nicht aber für ein Leben ohne.

Der Flyer vom Bundesverband Lebensrecht e.V. wird beispielsweise großflächig von einem unschuldig dreinblickenden Baby, das auf seiner Stirn den Barcode „Qualitätsgeprüft“ verpasst bekommen hat, geziert. Dieser Flyer bringt eine neue Komponente ins Spiel: Die Technisierung der Schwangerschaft. Angst vor Ausmusterung und der Herstellung eines perfekten, gesellschafts-genormten Babys. Eugenische (Eugenik = Erbgesundheitslehre) Beweggründe zur Abtreibung, die das Potenzial in sich bergen, sich auf utopische Vorstellungen auszuweiten, wie die selektive Auswahl nach Vorlieben, sind ernstzunehmende Beweggründe, die hinterfragt werden sollten. Dieser Aspekt befördert die Debatte allerdings in eine andere Dimension, bei der es gilt, andere thematische Räume aufzumachen.

Die Punkte 3 und 4 auf dem Flyer der Lebensrechtler sind besonders interessant, da dort Aufklärung und Rechte eingefordert werden.

3. Mehr AUFKLÄRUNG, die Frauen und Kinder berücksichtigt!
Keine Werbung für Abtreibung (§ 219a), sondern mehr Informationen
über das Leben mit Kind und über schädliche Folgen für Frauen nach Abtreibung

Gegner*innen des §219a kritisieren oft den Gebrauch des Wortes Werbung. Wenn man den Begriff Werbung hört, verbindet man damit sofort einen kommerziellen Zweck. Produkte, die ihren Platz im Markt finden, sichern und ausweiten wollen. Die Werbung als eine Art Verführer*in. Somit dürfen Gynäkolog*innen mit wilden Wörtern, wie Ersttrimesterscreening oder Feindiagnostik laut Gesetz „werben“, um sich gegenüber anderen Praxen zu behaupten. Jedoch können viele Patientinnen sich nicht darüber informieren, ob dieser Arzt oder diese Ärztin eine Abtreibung durchführen würde. Dabei sollte dies fern einem Angebotskatalog liegen, sondern vielmehr ein Teil der ärztlichen Dienstleistung sein. Warum stellt Abtreibung ein so großes Tabu dar und was ist eigentlich ein Tabu?

4. Mehr RECHTE für Kinder!
Für ein bedingungsloses Ja zum Kind und gegen Scheine, die Abtreibungen legitimieren

Profamilia gehört zu einer der bekanntesten Einrichtungen, die sich auf die Fahne geschrieben hat, für Information und Aufklärung im Bereich Sexualität und Familienplanung zu sorgen. Sie selbst beschreiben sich auf ihrer Webseite als „größte nichtstaatliche Organisation für Sexual-, Schwangerschafts- und Partnerschaftsberatung in Deutschland.“. Für Frauen, die sich in einem Schwangerschaftskonflikt befinden, ist Profamilia der richtige Ansprechpartner, um sich an eine der Beratungsstellen weiterleiten zu lassen. Es ist notwendig sich vor einem Abbruch einer Schwangerschaftskonflikt-Beratung zu unterziehen. Der Schwangeren sollen ihre Möglichkeiten aufgezeigt werden, die sie im Internet oder bei ihrem Frauenarzt möglicherweise nicht erhalten konnte. Die Mitarbeiter*innen sind dazu bemächtigt, nach Ausgang des Gesprächs einen Schein auszustellen, mit dem man dann befugt ist eine Abtreibung durchzuführen. Der Beratungsschein ist in Deutschland eine Notwendigkeit, um innerhalb der gesetzlich geregelten Fristen straffrei eine Schwangerschaft vorzeitig zu beenden.

Die Suche nach einem qualifizierten Beratungsgespräch ist oft schwierig, da man schnell an Institutionen gerät, die zwar eine Beratung anbieten, jedoch letztendlich nicht dazu befugt sind, die Beratungsscheine auszustellen. Somit geraten Schwangere oft an Menschen, die nicht fachlich beraten, sondern den Frauen eigene Überzeugungen aufstülpen wollen. So gibt es zum Beispiel die Seite Pro Femina, die zunächst stark an Profamilia erinnert. Jedoch handelt es sich dabei um eine nichtstaatliche Institution, die sich als ein kostenfreies Beratungsangebot für Frauen im Schwangerschaftskonflikt bezeichnet. Es ist auffällig, dass Pro Femina auf einen direkten Kontakt abzielt. Bereits rechts oben in der Ecke ihrer Webseite findet sich ihre Telefon-Hotline. Ein wenig tiefer gibt es die Möglichkeit, eine E-Mail abzuschicken. Dies geht weiter über ein Kontaktformular bis hin zu einem Abtreibungstest, bei dem man, wenn man sein Ergebnis haben möchte, seine E-Mail-Adresse hinterlassen muss. Die Eingabe dieser Kontaktdaten sorgt dafür, dass man immer wieder unvereinbart angeschrieben und angerufen wird. Für Frauen, die eine Abtreibung in Erwägung ziehen, stellt das eine große Verunsicherung dar. Vor allem wenn man davon ausgeht, dass man dort einen Beratungsschein ausgestellt bekommt, das jedoch nicht der Fall ist. Möglicherweise ein Schock für eine Frau, der nicht mehr allzu viel Zeit bleibt, den Eingriff durchführen zu lassen.

Oft ist im Zusammenhang mit dem Werbeverbot die Rede von schädlichen und traumatischen Folgen für die abtreibende Frau, wie zum Beispiel ein Post-Abortion-Stress-Syndrom. Jene psychische Erkrankung gilt als mögliche Folge eines Schwangerschaftsabbruchs. Die Frage nach den psychischen Folgen einer Abtreibung wird stark diskutiert. Nicht jede Frau, die ihre Schwangerschaft aus persönlichen Gründen abgebrochen hat, leidet unter dieser Entscheidung. Petra Herrmann von der Diakonie Leipzig sagt:

,,Wie es ihr nach dem Abbruch geht, hängt von der Klarheit und Eigenständigkeit der Entscheidung ab, von dem Erleben des Abbruchs überhaupt und von dem sozialen Umfeld, in dem sie lebt. Nicht jede Frau trauert, manche sind auch erleichtert und manche trauern intensiv.“

Genauso werden manche körperlich oder seelisch krank, während andere gesund bleiben. David M. Fergusson – Direktor des Christchurch Health and Development Study – untersuchte in einer Übersichtsstudie an der Universitiy of Otago (Neuseeland) den Zusammenhang von Mental Health und Abtreibung. Dies betrachtete er in fünf Kategorien: mögliche Angstzustände, Depressionen, Alkoholmissbrauch, illegaler Drogenkonsum und Suizidalität. Das Ergebnis, welches in der Australian and New Zealand Journal of Psychiatry erschien, besagte, dass eine Abtreibung das Risiko für psychische Probleme erhöht, insbesondere stellte man eine Steigerung des Risikos für Alkohol- und Drogenmissbrauch fest. Das Ergebnis spiegelt wieder, was auch die weltweit umfangreichste Meta-Analyse – veröffentlicht im British Journal of Psychiatry – gezeigt hatte, nämlich dass 10 Prozent aller psychischen Probleme bei Frauen in direktem Zusammenhang zu einer Abtreibung stehen. Kann man sich auf diese Daten berufen? Ob die psychischen Probleme ausschließlich aus dem durchgeführten Schwangerschaftsabbruch hervorgehen, oder mit unserer Gesellschaft und ihrer Einstellung zu dem Thema zu tun hat, ist bisher aus der Sicht der Wissenschaft noch ungeklärt. Das diese Faktoren aber eindeutig eine große Rolle spielen, zeigt auch das Zitat unserer Interviewpartnerin.

„Ich habe selbst keine solchen Erfahrungen [psychische Erkrankungen] gemacht, ich kann allerdings durchaus nachvollziehen, dass es zu Problemen kommen kann, denn die Atmosphäre ist in Deutschland stark schambehaftet und oft auch geprägt von unterschwelliger Schuldzuweisung. Das macht es für Frauen extrem schwer, einen normalen Umgang mit den Ereignissen ungewollte Schwangerschaft und Abbruch zu finden, was natürlich sehr aufwühlend und emotional belastend ist. Wenn man danach nicht offen darüber sprechen kann, ohne befürchten zu müssen, dass man dafür von anderen verurteilt und marginalisiert wird, kann großer psychischer Druck entstehen.“

Nicht wenige Frauen haben das Gefühl, stigmatisiert zu werden. Ebenfalls haben sie Angst vor den Reaktionen anderer – das Thema Abtreibung ist heute immer noch ein Tabu –, weswegen sie das Gefühl haben ihre Abtreibung geheim halten zu müssen. Dies belastet die Frauen zusätzlich, da sie so keine soziale Unterstützung erhalten können. Bettina Faulstich – die Vorsitzende des Bundesverbands Frauengesundheit sagt ebenfalls, dass die Haltung der Gesellschaft eine wichtige Rolle spielt. Viele Frauen bleiben mit Sorgen, Ängsten und inneren Nöten zurück. Es sollte mit dem Stigma gebrochen werden, dass es fast nur junge Mädchen sind, die sich aufgrund ihres Alters für eine Abtreibung entscheiden. Frauen in allen Altersklassen beschließen aus unterschiedlichsten Gründen, ihr Leben ohne (ein weiteres) Kind zu verbringen. Dies spiegelt sich auch in der folgenden Grafik wieder.

Frauen sollen nicht froh sein müssen über das, was sie bisher dürfen. Ein Gedankengut, das in einem Artikel (16.01.2019) zum 100-jährigen Wahlrecht der Frauen von Teresa Buecker (Chefredaktorin des Online Magazins Edition F) zu finden ist. Diese Aussage zielt darauf ab, das Frauen stets eine untergeordnete Entscheidungsrolle zugetragen bekommen haben und das dieser Prozess des Umdenkens und Zugestehen der Rechte der Frauen noch lange nicht abgeschlossen ist. Frauen sollten sich demnach nicht damit zufrieden geben, dass grundsätzlich die Möglichkeit besteht abzutreiben und sich auf bestimmten, momentan erschwerten, Wegen Informationen zu diesem Thema zu beschaffen. Es sollte vielmehr zu einer Selbstverständlichkeit werden, dass man den Zugang zu Informationen hat und dafür muss weiter gekämpft werden. Teresa Buecker, die sich für ein selbstbestimmtes Leben der Frauen einsetzt, war unter anderen in der Sendung vom 03.02.2019 zu Besuch bei Anne Will. 

 

Der Bundestag hat aufgemerkt und verstanden, dass aufgrund der Anzahl an verurteilten bzw. laufenden Ermittlungen gegen Ärzt*innen, diese Thematik nicht allein den Gerichten überlassen werden kann. Ärzt*innen werden kriminalisiert und ebenso wie die schwangeren Frauen häufig mit Mörder*innen gleichgesetzt. Nun stimmte der Bundestag am 21.02.2019 dafür ab, dass der §219a reformiert werden soll. 371 Abgeordnete stimmten dafür, 277 dagegen. 

Das „gute alte Recht“ (Depenheuer, 2003: 7) selbst ist befangen von einer Unantastbarkeit. Ein Recht zu brechen, das moralisch aufgeladen ist, führt dazu, dass sich der Status der strafbar gewordenen Person verändert. Man selbst wird zu einem/r Verbrecher*in – einer Randfigur der Gesellschaft. Gesetze können nur aufrechterhalten werden, indem es ein Tabu ist sie zu brechen. Sie scheinen oft sogar davor bewahrt zu sein, infrage gestellt zu werden. Jedoch sind Gesetze keine Konstante, sondern wandelbar. Im Zuge einer Hinterfragung eines Tabus etabliert sich unscheinbar ein Neues. Tabus implizieren eine Handlungsmöglichkeit, „die es nicht geben darf“ (Ebd.: 18). Hierbei betrifft dies Beschränkungen des Informationsrechts von Frauen. Das darüberhinaus Ärzte kriminalisiert und in der Art nicht weiter hingenommen werden will.

Die Tatsache alleine, dass Abtreibungen nur unter bestimmten Bedingungen nicht strafrechtlich geahndet werden, zeigt auf, dass wir es mit keiner alltäglichen, „normalen“ Sache zu tun haben. Aber wir müssen normal darüber reden können und verstehen, warum es ein drastischer Eingriff in die Gesellschaft ist, dass Frauen nun den Zugang zu sachlichen Informationen erlangen sollen. Die Annahme, Abtreibung sei etwas Normales ist absurd. Sicherlich vollzieht keine Frau gerne oder gar regelmäßig (da Normalität und Alltäglichkeit mit einem wiederkehrenden Ablauf verbunden werden) den Prozess, den sie ab dem Kauf des Schwangerschaftstest bis zur Abtreibung durchlaufen muss. An dieser Stelle sei erwähnt, dass mit diesem Eingriff auch Kosten verbunden sind, die die Frau alleine tragen muss, auch wenn Mann und Frau gleich involviert sind.

Das Hauptaugenmerk bei den Debatten im Jahr 2018 liegt auf der Selbstbestimmung der Frau und ihrem Recht sich zu informieren. Es geht also grundsätzlich um den Selbstbestimmungsbegriff an sich und nicht darum, ob man Abtreibung befürwortet oder nicht. Frauen sollten die Möglichkeit haben sich ausreichend aufklären zu lassen.

Die Maßnahme, die psychischen Folgen von Frauen, die abtreiben, zu erforschen, scheint kein Schritt vorwärts zu sein. Man könnte ebenso gut untersuchen, welche traumatisierenden Folgen es für eine Frau hat, ein Kind auszutragen, obwohl man es gar nicht wollte oder die psychischen Folgen wenn man ein Kind nach der Geburt abgegeben hat. Hier gibt es keinen richtigen oder falschen Weg. Jedes Individuum muss für sich selbst einen Lebensweg bestimmen. 

Wenn man möchte, dass weniger Frauen abtreiben, dann sollte man dafür sorgen, dass Kinder nicht mehr das größte Armutsrisiko darstellen und sich für eine bessere Vereinbarung von Studium beziehungsweise Beruf und Kindern einsetzen; des Weiteren müssten alternative Familienmodelle gestärkt werden. Ein Paragraph, der die Informationsfreigabe verwehrt und über die Köpfe der Frauen entscheidet, kann und darf jedoch keine Lösung darstellen.

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[ssba]

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